Rz. 315
Einen Sonderfall des Zusammenwirkens des beauftragten Rechtsanwalts mit einem anderen Rechtsanwalt bildet die allgemeine bzw. amtliche Bestellung eines Vertreters nach § 53 BRAO.
1. Begriffsbestimmung
Rz. 316
Gem. § 53 Abs. 1 BRAO ist ein Rechtsanwalt berufsrechtlich verpflichtet, für seine Vertretung zu sorgen, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben oder wenn er sich länger als eine Woche von seiner Kanzlei entfernen will. Der Rechtsanwalt kann den Vertreter selbst bestellen (auch von vornherein für alle Verhinderungsfälle während eines Kalenderjahres), wenn die Vertretung von einem derselben Rechtsanwaltskammer angehörenden Rechtsanwalt übernommen wird (§ 53 Abs. 2 Satz 1, 2 BRAO). Die Bestellung bedarf dann keiner besonderen Form. Die Erfüllung der gesetzlichen Anzeigepflicht (§ 53 Abs. 6 BRAO) ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Gehört der Vertreter nicht derselben Rechtsanwaltskammer an, erfolgt nur auf Antrag des Rechtsanwalts gem. § 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO die Bestellung eines Vertreters durch die Rechtsanwaltskammer. Dem Vertreter stehen gem. § 53 Abs. 7 BRAO die anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.
Rz. 317
Denkbar ist, dass ein Rechtsanwalt etwa wegen einer längeren Krankheit, wegen der Verhängung eines zeitlich beschränkten oder vorläufigen Berufsverbots (§ 70 StGB, § 132a StPO) oder wegen eines längeren Auslandsaufenthalts an der Berufsausübung gehindert ist. In der Praxis kam die Bestellung eines amtlichen Vertreters v.a. bei Rechtsanwälten vor, die eine Singularzulassung an einem OLG hatten und die sich gem. § 53 Abs. 3 BRAO durch einen am LG zugelassenen Rechtsanwalt – i.d.R. einen Sozius oder einen angestellten Rechtsanwalt – vertreten ließen, wenn sie selbst – auch nur kurzfristig – an der Berufsausübung gehindert waren. Nunmehr kann die Bestellung eines allgemeinen Vertreters sinnvoll sein, weil die häufige Reisetätigkeit zur Wahrnehmung auswärtiger Termine eine Vertretung am Kanzleiort erforderlich macht. Deshalb ist die Vertreterbestellung auch zulässig, wenn die Abwesenheit berufsbedingt ist und weniger als eine Woche andauert. Verstirbt ein sich in einem Rechtsstreit selbst vertretender Rechtsanwalt, tritt eine Unterbrechung des Verfahrens auch dann ein, wenn für ihn ein allgemeiner Vertreter bestellt war, dessen Vertretungsbefugnis mit dem Tod des Rechtsanwalts endet.
2. Haftung der beteiligten Rechtsanwälte
Rz. 318
Die Haftung der beteiligten Rechtsanwälte ggü. dem Auftraggeber richtet sich danach, wie der handelnde Rechtsanwalt nach außen auftritt und wie das Gericht bzw. der Gegner das Auftreten verstehen dürfen. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob der Vertreter einen Gerichtstermin als Unterbevollmächtigter wahrnimmt (vgl. Rdn 276 ff.) oder ob die beteiligten Rechtsanwälte ständig als Sozien bzw. Partner zusammenarbeiten oder sich zu einer anderen Kooperation verbunden haben und in dieser Eigenschaft auftreten. Wenn der handelnde Rechtsanwalt als bestellter Vertreter des beauftragten Rechtsanwalts auftritt, haftet er grds. nach den gleichen Grundsätzen wie ein angestellter Rechtsanwalt oder freier Mitarbeiter (vgl. Rdn 305 ff.). Der Mandant steht dann nur mit dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt in vertraglichen Beziehungen, nicht dagegen mit dessen Vertreter.
a) Haftung des beauftragten Rechtsanwalts
Rz. 319
Der beauftragte Rechtsanwalt haftet dem Auftraggeber für die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag. Dazu gehört die Pflicht für die Wirksamkeit der Vertreterbestellung zu sorgen. Aus dem Anwaltsvertrag ergeben sich weitere Auswahl-, Unterrichtungs-, Überwachungs- und Kontrollpflichten hinsichtlich des Tätigwerdens des Vertreters.
Rz. 320
Ein Rechtsanwalt hat für ein schuldhaftes Versehen, das seinem bestellten Vertreter bei der Durchführung eines Rechtsstreits unterlaufen ist, nach § 278 BGB einzustehen. § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB findet keine Anwendung: Eine Partei wählt i.d.R. ihren Anwalt als den Mann ihres Vertrauens, bei dem sie die Sache in guten Händen weiß. Sie muss zwar hinnehmen und rechnet auch regelmäßig damit, dass sich der Anwalt bei seiner zeitweiligen Verhinderung vertreten lässt, geht aber gleichwohl davon aus, dass der von ihr gewählte Anwalt selbst die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Behandlung der Rechtssache weiter trägt. Auf eine Kenntnis des Auftraggebers von der Vertretung kommt es nicht an. Auch ein zeitweise verhinderter Anwalt betrachtet sich für die ihm anvertrauten Rechtssachen selbst weiter als verantwortlich. Der Vertreter ...