Rz. 1

Nach früherem Konkursrecht (§ 6 KO) ging mit Eröffnung des Konkursverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die Arbeitgeberstellung auf den Konkursverwalter über. Für den Insolvenzverwalter gilt im Regelfall dasselbe (§ 80 Abs. 1 InsO).

 

Rz. 2

Der Schuldner kann nach neuem Recht jedoch ausnahmsweise die Arbeitgeberstellung – wenn auch unter Aufsicht eines Sachwalters – im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht weitgehend behalten.[1]

 

Rz. 3

Die Eigenverwaltung wird durchgeführt, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sie anordnet. Im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung wird anstelle des Insolvenzverwalters ein sog. Sachwalter bestellt. Der Schuldner bzw. die Geschäftsführungsorgane des schuldnerischen Unternehmens sind dann berechtigt, unter der Aufsicht dieses Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 InsO).

 

Rz. 4

Die Anordnung der Eigenverwaltung setzt voraus (§ 270 Abs. 2 InsO),

dass sie vom Schuldner beantragt worden ist,
dass der Gläubiger dem Antrag des Schuldners zugestimmt hat, wenn der Eröffnungsantrag von einem Gläubiger gestellt worden ist, und
dass nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird.
 

Rz. 5

Hatte das Insolvenzgericht den Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung abgelehnt, beantragt aber die erste Gläubigerversammlung die Eigenverwaltung, so ordnet das Gericht diese an. Zum Sachwalter kann dann der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden.

 

Rz. 6

Gegen die Anordnung der Eigenverwaltung haben die Gläubiger, insbesondere die Arbeitnehmer, kein Rechtsmittel.

 

Rz. 7

 

Praxistipp

Es bleibt den Gläubigern nur der Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht (§ 272 InsO). Dazu müssen die gesetzlichen Gründe für die Aufhebung der Eigenverwaltung glaubhaft gemacht werden.

 

Rz. 8

Für die Bestellung des Sachwalters, für die Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie für die Haftung und die Vergütung des Sachwalters gelten § 54 Nr. 2 und die §§ 56 bis 60, 62 bis 65 InsO entsprechend (§ 274 Abs. 1 InsO). Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen (§ 274 Abs. 2 InsO).

 

Rz. 9

Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128 InsO) gelten im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt. Der Schuldner soll seine Rechte nach diesen Vorschriften nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben.

 

Rz. 10

 

Hinweis

Die Rechte nach den §§ 120 (Kündigung von Betriebsvereinbarungen, siehe § 2 Rdn 10), 122 (Antrag auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung, siehe § 2 Rdn 94 ff.) und 126 InsO (Einleitung eines Beschlussverfahrens zum Kündigungsschutz, siehe § 2 Rdn 187 ff.) kann der Schuldner wirksam nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben (§ 279 InsO).[2]

 

Rz. 11

Die Forderungen der Insolvenzgläubiger sind im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung beim Sachwalter anzumelden.

 

Rz. 12

Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so hat der Sachwalter an dessen Stelle die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, und die absonderungsberechtigten Gläubiger zu unterrichten (§ 274 Abs. 3 InsO).

 

Rz. 13

Das Insolvenzgericht hebt die Anordnung der Eigenverwaltung auf,

wenn dies von der Gläubigerversammlung beantragt wird;
wenn dies von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder von einem Insolvenzgläubiger beantragt wird und die Voraussetzung des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO weggefallen ist;
wenn dies vom Schuldner beantragt wird.
 

Rz. 14

Zum Insolvenzverwalter kann dann der bisherige Sachwalter bestellt werden.

[1] Dazu Kölner Schrift zur InsO/Düwell, S. 1442; Berscheid, ZInsO 1999, 9; Berscheid, BuW 1998, 913 und 1999, 75; Lakies, BB 1999, 1759; Lakies, Das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz, 2010, S. 29 f.; zur Abmahnungs- und Kündigungsbefugnis des Sequesters nach der KO bzw. der GesO siehe LAG Hamm v. 26.11.1998 – 4 (19) Sa 1360/98, ZInsO 1999, 363 = InVo 1999, 234 und BAG v. 22.10.1998 – 8 AZR 618/97, ZInsO 1999, 361.
[2] Zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrates in den verschiedenen Verfahrensstufen der Insolvenz siehe Berscheid, ZInsO 1999, 27 ff.; Kolbe, NZI 2015, 400.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?