1. "Starker" vorläufiger Insolvenzverwalter
Rz. 15
Andererseits kann der Gemeinschuldner die Arbeitgeberstellung auch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den vorläufigen Insolvenzverwalter verlieren, wenn ihm ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird (§§ 21, 22 InsO).[3] Der Gemeinschuldner bzw. die Vertretungsorgane des gemeinschuldnerischen Unternehmens verlieren dann schon im Insolvenzeröffnungsverfahren ihre Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz und damit auch ihre Arbeitgeberstellung.
2. "Schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter
Rz. 16
Wurde dagegen dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen (sog. "schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter), sondern ist nur dem Gemeinschuldner ein Zustimmungsvorbehalt nach §§ 22 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO auferlegt worden, verbleibt die Arbeitgeberstellung und damit regelmäßig auch die Kündigungsbefugnis[4] und die Haftung für die weiter entstehenden Arbeitsvergütungsansprüche[5] beim Gemeinschuldner bzw. den Vertretungsorganen des gemeinschuldnerischen Unternehmens.
Rz. 17
Jedoch bedarf dann eine vom Gemeinschuldner ausgesprochene Kündigung eines Arbeitsverhältnisses der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, weil jegliche Verfügungen des Schuldners – einschließlich der Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte, wie etwa Kündigungen – nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zulässig sind.[6]
Rz. 18
Hinweis
Die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist in urkundlicher Form beizufügen, andernfalls kann sie vom gekündigten Arbeitnehmer nach § 182 Abs. 3 BGB i.V.m. § 111 S. 2 BGB zurückgewiesen werden.[7]
Rz. 19
Praxistipp
Der Gemeinschuldner bzw. die Vertretungsorgane des gemeinschuldnerischen Unternehmens sollten die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit dessen Originalunterschrift auf dem Kündigungsschreiben selbst verlautbaren. Dann erübrigt es sich, eine separate und unterschriebene Zustimmungserklärung mit dem Kündigungsschreiben beweisbar zu übermitteln.
Rz. 20
Praxistipp
Die Problematik ist mit der Zurückweisung einer einseitigen Willenserklärung eines bevollmächtigten Vertreters mangels Vollmachtsvorlage nach § 174 BGB zu vergleichen. Wird der zurückweisende Erklärungsempfänger bei der Zurückweisung seinerseits durch einen Bevollmächtigten vertreten, sollte auch dieser seiner Zurückweisungserklärung eine schriftliche Originalvollmacht des Vertretenen beweisbar beifügen, will er nicht riskieren, dass seine Zurückweisung, die ebenfalls einseitige Willenserklärung ist, ihrerseits nach § 174 BGB mangels Vollmachtsvorlage zurückgewiesen wird.
3. "Schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter mit Arbeitgeberbefugnis
Rz. 21
Im Rahmen der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens können einem "schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter" im gerichtlichen Bestellungsbeschluss auch nur einzelne Befugnisse, wie etwa die Arbeitgeberbefugnisse und insbesondere die Kündigungsbefugnis, eingeräumt werden.[8] Dann stellt sich im Falle des Ausspruchs einer Kündigung die Frage nach dessen verfahrensrechtlicher Stellung.
Rz. 22
Dazu wird vertreten, dass die Arbeitgeberstellung und damit auch die Passivlegitimation in einem Kündigungsprozess auch dann bei dem Gemeinschuldner verbleiben, wenn nach der sog. Berscheid'schen Formel[9] einem solchen "schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter" im gerichtlichen Bestellungsbeschluss die Arbeitgeberbefugnisse und insbesondere die Kündigungsbefugnis eingeräumt werden.[10] Diese Auffassung überzeugt nicht. Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter, der vom Insolvenzgericht mit der Arbeitgeberstellung betraut ist, die Kündigung ausspricht, muss er auch für die Kündigungsschutzklage zu der von ihm ausgesprochenen Kündigung passivlegitimiert sein.
Rz. 23
Hinweis
Problematisch ist dabei aber auch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter über die Kündigung von Arbeitsverhältnissen letztlich die Voraussetzungen für eine Sanierung mit einer etwaigen Betriebsfortführung beseitigen kann, die er nach dem gesetzlichen Auftrag zunächst prüfen soll.[11]
Rz. 24
Die Übertragung des Rechts zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse an den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt durch das Insolvenzgericht stellt nach der Auffassung des OLG Saarbrücken[12] keine hinreichend bestimmte Ermächtigung zur Begründung von Masseschulden in analoger Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO dar. Im Rahmen der Vorfinanzierung von Insolvenzgeld vom vorl...
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