Wolfgang Arens, Jürgen Brand
1. Organisatorische Maßnahmen
Rz. 345
Aufgrund solcher innerbetrieblicher oder außerbetrieblicher Gründe muss der Unternehmer sich im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung zu organisatorischen Maßnahmen entschließen, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die weitere Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.
Rz. 346
Ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt, ist von den Arbeitsgerichten voll nachprüfbar. Dagegen ist die Unternehmerentscheidung selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen ("eingeschränkter Prüfungsmaßstab"), sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (sog. Willkürkontrolle). Die Umsetzung der Maßnahmen muss nachvollziehbar aufgezeigt werden können, es muss also ein nachvollziehbares Konzept dargestellt werden können.
Rz. 347
Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von unternehmerisch-organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers ab, die bei Zugang der Kündigung faktisch noch nicht umgesetzt worden sind, müssen zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, diese Maßnahmen vorzunehmen, zu diesem Zeitpunkt schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein.
Rz. 348
Fasst der Insolvenzverwalter einen Stilllegungsbeschluss auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse und setzt er diesen im weiteren Verlauf u.a. durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen mit Arbeitnehmern um, ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, sich mittels Anfechtung nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung von dem Aufhebungsvertrag zu lösen, wenn der Insolvenzverwalter im weiteren Verlauf doch noch einen Investor findet und es zur Betriebsfortführung kommt. Dies gilt zumindest, wenn der Insolvenzverwalter dieses zweigleisige Vorgehen offen im Betrieb kommuniziert.
2. Besonderheiten bei Betriebsstilllegungen
a) Bestimmung der Kündigungsendtermine
Rz. 349
Diese Rechtsregeln gelten insbesondere bei Betriebsstilllegungsentscheidungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der Entschluss des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eigene Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfristen einzusetzen und so den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen sozial zu rechtfertigen.
Rz. 350
Hinweis
Dabei ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Arbeitnehmer bei einer sukzessiv erfolgenden Betriebsstilllegung unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Kündigungsfristen ausscheiden und nicht zu einem einheitlichen Kündigungsendtermin. Die unternehmerische Entscheidung zur schnellstmöglichen dauerhaften Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann als dringendes betriebliches Erfordernis eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen. Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht.
Rz. 351
Enthält die Stilllegungsentscheidung keine Einschränkungen oder Vorbehalte dahingehend, eventuell doch neu eingestellte Arbeitnehmer zur Fertigstellung gewisser Arbeiten einzusetzen oder dafür gekündigte Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen, so entfällt durch einen solchen Stilllegungsbeschluss, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat, das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitnehmer des Betriebs jeweils mit dem Ablauf der für sie einschlägigen Kündigungsfrist. Bei einem derartigen unternehmerischen Stilllegungskonzept mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse entfällt auch das Erfordernis einer sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG. Würde man die noch zu erledigenden Restaufgaben nicht nach der Dauer der jeweiligen Kündigungsfrist, sondern nach sozialen Gesichtspunkten verteilen, so würde die Verlängerung der Kü...