Rz. 7
Wer die Schadensregulierung in Deutschland betrachtet, erinnert sich gerne an die Zeit zurück, als es noch eine friedliche Koexistenz zwischen Geschädigten bzw. deren Anwälten und der Assekuranz gab. Beide Seiten waren seinerzeit darum bemüht, einen nun einmal entstandenen Schaden so sachgerecht wie möglich auszugleichen.
Rz. 8
Es galt, den Schaden schnell und unbürokratisch abzuwickeln. Vielfältige Regulierungsabkommen dienten dieser Aufgabe, und auch die Sachverständigen und Werkstätten waren frei von ressourcenraubendem Verwaltungsaufwand.
Kurz: Die Regulierung von Schäden war fair!
Rz. 9
Heute ist es jedoch nun dringender denn je erforderlich geworden, dass der Geschädigte möglichst früh anwaltlich beraten wird. Ein Rat kann aber nur dann erteilt werden, wenn der Mandant möglichst umgehend nach dem Unfall und zu allererst in die Kanzlei des Anwaltes gelangt und nicht schon vorher von interessierten Kreisen der Versicherungswirtschaft "abgefangen" wird.
Rz. 10
Seit geraumer Zeit beherrscht das so genannte Schadensmanagement der Versicherer massiv die Schadenregulierung. D.h. es ist das Bestreben der Versicherer, so schnell und so früh wie möglich Kontakt zu dem Geschädigten und ihn somit in ihre "Fänge" zu bekommen. Damit will die Assekuranz erreichen, dass der Geschädigte keinen Zugang zu einem freien Sachverständigen, zu einem freien Mietwagenunternehmer, neuerdings sogar auch zu den freien Fachwerkstätten und – dies vor allen Dingen – keinen Kontakt zu einem Anwalt bekommt.
Rz. 11
Das sieht in der Praxis dann so aus, dass der Geschädigte, der unmittelbar nach dem Unfall den Zentralruf der Autoversicherer anruft, kostenlos direkt an den Arbeitsplatz des Sachbearbeiters des zuständigen Versicherers weitervermittelt wird. Oder der Geschädigte ruft den gegnerischen Versicherer unmittelbar an. In jedem Falle erhält er die Mitteilung, er brauche sich von nun an um nichts mehr zu kümmern. Ihm werde sofort mit einem Tieflader ein Mietwagen gebracht, der beschädigte Wagen werde im Gegenzuge gleich mitgenommen und in eine so genannte Vertrags- oder Vertrauenswerkstatt gebracht. Dort werde – so wird versprochen – der Wagen zunächst von einem Sachverständigen begutachtet, perfekt repariert und anschließend mit dem Tieflader im Austausch gegen den Mietwagen wieder zum Geschädigten gebracht. Der Geschädigte sei ja "Kunde" des (gegnerischen!) Versicherers und werde auch als solcher behandelt.
Rz. 12
Tatsache ist jedoch, dass der Wagen in eine Werkstatt gebracht wird, die oft nur eine auf ein bestimmtes, jedoch dem Geschädigtenfahrzeug gar nicht entsprechendes Fabrikat spezialisiert ist. Meistens verbirgt sich dahinter aber auch nur eine reine Karosseriewerkstatt, die zu Dumpingpreisen für die Versicherer arbeitet, um so an Reparaturaufträge heranzukommen.
Rz. 13
Ein dortiger Kfz-Meister gibt sich dann als der versprochene "Sachverständige" aus, macht aber nichts weiter, als das beschädigte Auto mit einer Digitalkamera zu fotografieren und die Fotos via Internet an den gegnerischen Versicherer zu schicken. Dort sitzt dann ein Versicherungsmitarbeiter mit mehr oder minder vorhandenem Sachverstand und begutachtet den Schaden vor dem Computer. Er gibt den Reparaturweg vor, den dann die Werkstatt zu beachten hat. Oft kann der vorgegebene Reparaturweg nur als eine Sparreparatur bezeichnet werden, womöglich auch noch mit Gebrauchtteilen – der Geschädigte merkt das ja nicht und so werden diese Machenschaften nur selten aufgeklärt.
Rz. 14
Diese Werkstatt vermietet dann auch gleich die eigenen Fahrzeuge, oft Vorführwagen ohne Mietwagenlizenz, oder arbeitet mit Billigfirmen zusammen. Neuerdings stellen sogar die Versicherer selbst Mietwagen zur Verfügung und vermieten sie in eigenem Namen oder über eine zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft.
Rz. 15
Der Geschädigte erfährt von alledem gar nichts und wiegt sich sogar in Sicherheit, dass alles in der versprochenen Weise optimal reguliert wird. Von Haftungsproblemen wird zunächst ebenso wenig gesprochen wie von Abzügen "neu für alt" oder Gebrauchsvorteilen. Erst Tage später sieht sich dann der Geschädigte mit vom gegnerischen Versicherer an ihn herangetragenen Abzügen und Forderungen nach Beteiligungen an den Schadensaufwendungen des Versicherers konfrontiert. Dann fragt er nach einer Unkostenpauschale, nach Schmerzensgeld, Nutzungsausfall und dergleichen.
Und dann soll plötzlich der Anwalt helfen! Ihm bleiben dann nur noch die schadensrechtlichen Brosamen!
Rz. 16
Ein großes Problem ist auch der Einfluss der Versicherer auf die Auswahl von Sachverständigen. Es fällt auf, dass Werkstätten in der Regel die DEKRA mit der Schadensbesichtigung beauftragen. Diese verfügt regelmäßig jedoch nicht über öffentlich bestellte und vereidigte, demzufolge unabhängige Sachverständige. Oder aber die Werkstätten wenden sich direkt an die gegnerische Versicherung, um dieser die Möglichkeit einzuräumen, einen eigenen, von ihr abhängigen Sachverständigen einzuschalten.
Rz. 17
Einige Versicherer sind noch ...