Rz. 79

 

Beispiel

Das Oberlandesgericht Karlsruhe[179] musste in einer Entscheidung an der Schnittstelle zwischen der Beratung bei einer Testamentserrichtung und der späteren Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs über die Frage entscheiden, ob eine Vertretung widerstreitender Interessen vorliegt.

Ein Rechtsanwalt hatte den späteren Erblasser bei der Errichtung eines Testaments beraten, welches dieser später wirksam errichtete. Nach dem Willen des Erblassers wurde die Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Seine Ehefrau sollte ein auf ihren Pflichtteilsanspruch anzurechnendes Vermächtnis erhalten, welches unter anderem in einem unentgeltlichen Wohnrecht und dem Eigentum an einem Kraftfahrzeug bestand. Es stellte sich nun die Frage, ob die Ehefrau den Rechtsanwalt, welcher den Erblasser bei der Testamentserrichtung beraten hatte, mit der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche beauftragen konnte.

Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts betrifft die Gestaltung der Erbfolge und Aussetzung von Vermächtnissen durch eine Verfügung von Todes wegen und die Geltendmachung der Vermächtnisse und des Pflichtteilsanspruchs gegenüber der durch Testament bestimmten Erben dieselbe Rechtssache.[180] Es handelt sich um eine einzige erbrechtliche Angelegenheit.

Das Oberlandesgericht verneinte die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 356 Abs. 1 StGB, da es der Bestimmung des Interessengegensatzes ein subjektives Verständnis zugrunde legte, welchem sich nunmehr – zumindest der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs – angenähert hat (vgl. Rdn 25).[181] Es fehlt am Interessenwiderstreit zwischen dem Willen des Erblassers und der Ehefrau, sofern der Rechtsanwalt die Ehefrau nur bei der Durchsetzung der Ansprüche unterstützt, die der Erblasser in seinem Testament getroffen hat bzw. die gesetzliche Folge der testamentarischen Verfügung waren.[182]

Die Entscheidung zeigt, dass der Rechtsanwalt aus dem Mandatsverhältnis im Bereich des Erbrechts auch über den Tod des Mandanten hinaus verpflichtet bleibt, da der Mandant darauf vertrauen kann, dass der Rechtsanwalt auch nach seinem Tod seinen Interessen dienen wird.[183] Insoweit erlischt der Mandatsvertrag im Zweifel nicht mit dem Tod des Mandanten, § 672 S. 1 BGB. Dem Rechtsanwalt ist es daher gestattet, den Erben bei späteren Erbrechtsstreitigkeiten zu vertreten, solange es sich um die vom Erblasser getroffenen Verfügungen handelt und seine Interessen durch eine Vertretung des Erben nicht konterkariert werden.[184]

[179] OLG Karlsruhe ZEV 2014, 378.
[180] OLG Karlsruhe ZEV 2014, 378, 379.
[181] Vgl. BGH NJW 2019, 316.
[182] OLG Karlsruhe ZEV 2014, 378, 380.
[183] Vgl. Offermann-Burckart, AnwBl 2009, 729, 735.
[184] Vgl. OLG Karlsruhe ZEV 2014, 378, 381 zust. Anm. Grunewald; Offermann-Burckart, AnwBl 2009, 729, 735.

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