Rz. 44
Liegt eine Interessenkollision bereits bei der Annahme des Mandats vor, besteht für den Rechtsanwalt aus der Kehrseite des Tätigkeitsverbots von §§ 43a Abs. 4, 45 und 46 BRAO bzw. § 3 Abs. 4 BORA das Gebot, kein Mandat anzunehmen, dessen Wahrnehmung einen Verstoß gegen diese Normen begründen würde. Entsprechend muss bei einer Interessenkollision die Ablehnung des Mandats nach § 44 S. 1 BRAO unverzüglich erklärt werden. Der Rechtssuchende muss dieser Erklärung ausdrücklich entnehmen können, dass er mit der unmittelbaren Besorgung seiner Rechtsangelegenheit durch den kontaktierten Rechtsanwalt nicht rechnen kann. Verzögert der Rechtsanwalt die Erklärung schuldhaft, macht er sich gemäß § 44 S. 2 BRAO schadensersatzpflichtig. In diesem Fall hat er dem Rechtssuchenden sein negatives Interesse zu ersetzen.
Rz. 45
Kommt es zu einer Interessenkollision im Laufe der Mandatsvertretung, ist der Rechtsanwalt nach § 3 Abs. 4 BORA verpflichtet, bei einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO unverzüglich den Mandanten von der Interessenkollision in Kenntnis zu setzen und alle Mandate in derselben Rechtssache niederzulegen.
Rz. 46
Ein Wahlrecht des Rechtsanwalts, zumindest eines der Mandate weiterzuführen, wird nicht begründet, insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, dass er zunächst ein Mandat in zulässiger Weise geführt hat, bevor durch die Annahme des zweiten Mandats die Interessenkollision eingetreten ist.
Rz. 47
Daneben führt die Pflicht zur unverzüglichen Mandatsbeendigung nicht zu einem Verstoß des in § 627 Abs. 2 S. 1 BGB formulierten Verbots der Kündigung zur Unzeit. Der Vorrang des § 627 Abs. 2 S. 1 BGB hätte die Folge, dass die berufsrechtlich und strafrechtlich untersagte Vertretung widerstreitender Interessen für eine Übergangszeit fortgesetzt werden müsste. Dies steht in einem klaren Widerspruch zu den Schutzzwecken des § 43a Abs. 4 BRAO.
Rz. 48
Unterlässt der Rechtsanwalt hingegen die Niederlegung der Mandate in derselben Rechtssache, besitzen die Mandanten das Recht, den Anwaltsvertrag nach § 627 Abs. 1 BGB zu kündigen, sofern der Rechtsanwalt das Mandat ungeachtet der Vertretung widerstreitender Interessen fortführt und den Mandanten nicht auf den bestehenden Interessenkonflikt hinweist. Der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Mandatsbeendigung stellt einen wichtigen Grund im Sinne von § 627 Abs. 2 S. 1 BGB dar. Welche Konsequenzen die Mandatsniederlegung bzw. die Kündigung auf den Vergütungsanspruch haben, soll im Folgenden erörtert werden.