Rz. 355

Ein Antrag auf Übertragung der Sorge muss nicht den förmlichen Anforderungen des § 253 ZPO genügen.[1281] Es reicht aus, dass erkennbar ist, wer als Antragsteller auftritt und welches Ziel er verfolgt. Nach § 23 Abs. 1 FamFG soll allerdings ein verfahrenseinleitender Antrag begründet werden, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel ebenso anzugeben sind wie die Personen, die als Beteiligte in Betracht kommen.

 

Rz. 356

Der Antrag muss auf die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge in ihrer Gesamtheit oder in einem ihrer Teilbereiche gerichtet sein. Wird lediglich ein Teilbereich der Sorge beantragt, z.B. das Aufenthaltsbestimmungsrecht, so verbleibt es im Übrigen bei der gemeinsamen Sorge.[1282] Wideranträge im gleichen oder in anderen Sorgebereichen sind zulässig. Es bedarf keiner Unterscheidung des Antrags danach, ob er nur für den Fall der Scheidung oder schon für die Dauer des Getrenntlebens gestellt sein soll, da § 1671 Abs. 1 BGB allein an die Trennung der Eltern anknüpfen. Soll er allerdings im Verbund gestellt werden, muss dies zum Ausdruck kommen und bedeutet, dass nur eine Regelung für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung erfolgen wird, § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG.[1283]

 

Rz. 357

Der antragstellende Elternteil kann die Alleinsorge nur für sich selbst geltend machen. Ein auf die Übertragung der Sorge auf den anderen Elternteil gerichteter Antrag ist unzulässig (Wortlaut des § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB: "ihm"!).[1284] Wird der Antrag auf Übertragung der Sorge nach § 1671 Abs. 1 BGB nur von einem Elternteil gestellt, so beschränken sich die Möglichkeiten des Gerichts auf Entscheidung – ganz oder teilweise – nach Antragslage oder die Zurückweisung des Antrags. Liegen gegenläufige Anträge der Eltern vor, so ist über diese im selben Verfahren in einer einheitlichen Entscheidung zu erkennen;[1285] dies gilt auch, wenn das Gericht das Verfahren zugleich wegen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung nach § 1671 Abs. 4 i.V.m. §§ 1666 ff. BGB betreibt[1286] oder auch deswegen – nach Rücknahme der Anträge der Eltern – von Amts wegen fortbetreibt.

 

Rz. 358

Wegen § 156 Abs. 1 FamFG besteht allerdings für das Gericht die Obliegenheit, auf ein Einvernehmen der Eltern hinzuwirken.[1287] Hierzu gehört gegebenenfalls auch die gerichtliche Anordnung der Teilnahme an einer Beratung durch die Beratungsstellen und -dienste eines Trägers der Kinder- und Jugendhilfe (siehe dazu Rdn 391). Dadurch eröffnen sich weitergehende Möglichkeiten, die dem Kindeswohl am besten entsprechende Entscheidung zu finden. Gegebenenfalls wird das Gericht dem Kind auch unter den Voraussetzungen des § 158 FamFG einen Verfahrensbeistand zu bestellen haben (siehe dazu § 5).

 

Rz. 359

Demgegenüber unterliegt ein Abänderungsverfahren nach § 1696 BGB (siehe dazu § 3 Rdn 1 ff.) nicht dem Antragsprinzip des § 1671 BGB. Gegebenenfalls kann in einer solchen Kons­tellation von Amts wegen das Sorgerecht auch einem Elternteil übertragen werden, der hiermit nicht einverstanden ist[1288] – sicherlich ein recht theoretischer Fall.

[1281] OLG Frankfurt FamRZ 2003, 387.
[1282] OLG Brandenburg ZfJ 2004, 348; Menne, ZKJ 2006, 102.
[1283] Vgl. auch BGH FamRZ 2012, 863.
[1284] OLG Saarbrücken, ZKJ 2010, 452; Schwab, FamRZ 1998, 457.
[1285] OLG Hamburg FamRZ 1996, 676.
[1286] Dazu OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1649; OLG Nürnberg FamRZ 2013, 1993.
[1287] Siehe dazu auch Gartenhof/Schmid/Normann/von Thüngen/Wolf, Auflagen nach § 156 Abs. 1 FamFG im Spannungsfeld der Eltern zwischen Autonomie und Zwang, NZFam 2014, 972; zu den Grenzen von Einvernehmen in Kindschaftssonderfällen siehe Schmid, NZFam 2015, 292; Dostmann/Bauch, Hinwirken auf eine Einigung aus anwaltlicher Sicht – Zwang oder Segen?, NZFam 2015, 820; Wegener, Pflicht des Richters zur Hinwirken auf eine Einigung aus richterlicher Sicht nach § 156 FamFG, NZFam 2015, 799; Vogel, Diffamierung des nicht einigungsbereiten Elternteils im Kindschaftsverfahren (?), NZFam 2015, 802.

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