Rz. 310

Durch das zum 19.5.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern (vgl. auch Rdn 35 ff.)[1179] wurde § 1671 BGB neu geregelt und § 1672 BGB a.F. aufgehoben. § 1671 Abs. 2 erfasst nunmehr den Fall, dass die Mutter nach § 1626a Abs. 3 BGB allein sorgeberechtigt ist und der bislang nicht mitsorgeberechtigte Vater die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge in ihrer Gesamtheit oder in Teilbereichen beantragt. § 1671 Abs. 2 BGB ist dabei spiegelbildlich zu § 1671 Abs. 1 BGB aufgebaut.

 

Rz. 311

Die Prüfungsreihenfolge des § 1671 Abs. 2 BGB lässt sich wie folgt darstellen.

[1179] BGBl 2013 I, 795.

a) Zustimmung eines Elternteils

 

Rz. 312

Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge in ihrer Gesamtheit oder in Teilbereichen auf den Vater kommt nach § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB in Betracht bei Zustimmung der bislang allein sorgeberechtigten Mutter. Es bedarf daher ebenso wie bei § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB zweier übereinstimmender Erklärungen der Eltern (Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 7 f.). Während in den Fällen der bisherigen gemeinsamen Sorge das Gericht an den elterlichen Vorschlag gebunden ist, sieht das Gesetz in § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB eine zusätzliche negative Kindeswohlprüfung durch das Gericht vor. Das Gericht muss folglich prüfen, ob die Übertragung der Alleinsorge dem Kindeswohl widerspricht. Diese zusätzliche Prüfung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es – abweichend von § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB – im Fall der positiven Bescheidung eines Antrags nach § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB zu einem vollständigen Austausch des Sorgeberechtigten kommt. Das Sorgerecht wird einem Elternteil übertragen, der bislang in die elterliche Verantwortung nicht eingebunden war.[1180] Im Rahmen der negativen Kindeswohlprüfung wird daher auch die Frage besondere Bedeutung haben, inwieweit der Vater bislang bereit war, für das Kind Verantwortung zu übernehmen, und zwar nicht nur in finanzieller, sondern auch in persönlicher Hinsicht.

 

Rz. 313

Die von der Mutter zu erteilende Zustimmung ist keinen besonderen Formvorschriften unterworfen. Sie kann entweder schriftlich oder anlässlich der ohnehin im gerichtlichen Verfahren nach § 160 FamFG vorgesehenen Anhörung der Eltern erteilt werden. Gleichwohl ist das Gericht gehalten, sich anlässlich der persönlichen Anhörung der Mutter, von der Wirksamkeit, Ernsthaftigkeit und insbesondere der Freiwilligkeit ihrer Zustimmung zu überzeugen.[1181] Die Zustimmung muss außerdem unbedingt erfolgen.[1182] Ist die Mutter beschränkt geschäftsfähig bedarf es wegen der Höchstpersönlichkeit der Erklärung keiner Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters.[1183] Bis zur letzten mündlichen Erörterung in der letzten Tatsacheninstanz kann die Zustimmung widerrufen werden.[1184]

[1180] BT-Drucks 17/11048, S. 19.
[1182] OLG Koblenz FamRZ 2016, 475.
[1183] OLG Koblenz FamRZ 2016, 475.
[1184] BGH NJW-FER 2000, 278; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 31.3.2010 – 9 UF 88/09 (n.v.).

b) Widerspruch des Kindes

 

Rz. 314

Nach der Absicht des Gesetzgebers soll dem Kindeswohl zusätzlich dadurch Rechnung getragen werden, dass ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, der Übertragung der Alleinsorge widersprechen kann. Im Fall des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB muss ein erklärter Widerspruch nicht zwingend zu einer anderen Regelung als der von den Eltern übereinstimmend Gewollten führen. Ob dies auch bei § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB so gelten kann, erscheint zweifelhaft. Hier dürfte erneut zu berücksichtigen sein, dass einem Elternteil die Sorge zur alleinigen Ausübung übertragen werden soll, der bislang noch nicht in die elterliche Verantwortung eingebunden war. Zumindest wird es daher in diesen Fällen einer intensiven Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht bedürfen. Das Gericht wird sich zudem anlässlich der Anhörung des Kindes nach § 159 FamFG einen Eindruck darüber verschaffen müssen, inwieweit sich möglicherweise der erklärte Widerspruch lediglich als allgemeine Unzufriedenheit darstellt.

 

Rz. 315

Ebenso wie für die Zustimmung der Mutter, gelten auch für den Widerspruch des Kindes keine besonderen Formvorschriften und kann der Widerspruch bis zur letzten mündlichen Erörterung in der letzten Tatsacheninstanz widerrufen werden.

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