Rz. 133

Die elterliche Vertretungsmacht kann kraft Gesetzes oder durch familiengerichtliche Entscheidung aufgehoben werden. Rechtsfolge ist jedoch nicht das Alleinvertretungsrecht des anderen Elternteils – vielmehr sind beide Elternteile von der Vertretung ausgeschlossen. Für das vorzunehmende Geschäft ist nach § 1909 Abs. 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen.[496] Für die Wirksamkeit der Anordnung der Ergänzungspflegschaft bedarf es nach § 40 Abs. 1 FamFG der Bekanntmachung an den oder die Sorgeberechtigten.[497] Dieser kann – ebenso wie ein zwischenzeitlich volljährig gewordenes Kind – den Vertrag genehmigen, anders als das Familiengericht, das die Eltern auch nicht von vornherein von dem Verbot des Selbstkontrahierens entbinden kann.

[496] OLG Köln FamRZ 2011, 1305; OLG Koblenz FamRZ 2007, 412; OLG Frankfurt FamRZ 1980, 927.
[497] OVG Lüneburg JAmt 2012, 46.

a) Ausschluss des Vertretungsrechts kraft Gesetzes

 

Rz. 134

Soweit die Gefahr von Interessenkollisionen[498] besteht, sind die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen (§§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795, 1796 BGB). Für dieses Vertretungsverbot ist keine konkrete Gefährdung des Kindesvermögens notwendig.[499] Es genügt die bloße Möglichkeit der Benachteiligung. Soweit jedoch das Geschäft nach seiner konkreten Ausgestaltung für das Kind lediglich rechtliche Vorteile hat, entfällt der Ausschluss der Vertretungsmacht.[500] Die rechtliche Vorteilhaftigkeit ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des dinglichen und des schuldrechtlichen Geschäfts zu bewerten.[501]

[498] OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 1337.
[499] BGH FamRZ 1968, 245.
[501] LG Münster FamRZ 1999, 739.

b) Ausschluss der Vertretungsmacht durch gerichtliche Entscheidung

 

Rz. 135

In Abgrenzung zur Aufhebung der elterlichen Vertretungsmacht kraft Gesetzes, die eine abstrakte Gefahr für die Kindesinteressen voraussetzt, erfordert der Ausschluss der Vertretungsmacht durch gerichtliche Entscheidung eine konkrete Gefahr eines Interessenwiderstreits gemäß § 1796 BGB, aufgrund dessen die Eltern gehindert sind, eine auch den Belangen des Kindes gerecht werdende Entscheidung zu treffen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1796 BGB ist den Eltern die Vertretungsmacht zu entziehen.

 

Rz. 136

Von einem konkreten Interessenwiderstreit ist dann auszugehen, wenn das Kindesinteresse nur auf Kosten des anderen Interesses durchgesetzt werden kann[502] und nicht zu erwarten ist, dass die Eltern trotz dieses Interessengegensatzes im Sinn des Kindes handeln werden.[503] Im Umkehrschluss ist ein Ausschluss der Vertretungsmacht nicht gerechtfertigt, solange ein Handeln der Eltern im Interesse des Kindes erwartet werden kann. Der Interessengegensatz muss zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Angelegenheit des Kindes wahrgenommen wurde oder wahrzunehmen ist. Der erhebliche Interessengegensatz muss an konkreten Umständen des Einzelfalles festgemacht werden können.

 

Rz. 137

Von einem solchen Interessengegensatz ist etwa dann auszugehen, wenn Regressansprüche des Kindes gegen seine Eltern wegen nicht ordnungsgemäßer Verwendung von Kindeseinkommen oder -vermögen in Rede stehen bzw. im Falle der Vaterschaftsanfechtung wenn der rechtliche Vater und die Mutter für das Kind gemeinsam sorgeberechtigt sind.[504] Von praktischer Bedeutung ist auch die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts.[505]

[503] OLG Saarbrücken NJW 2011, 2306 m.w.N. zum – recht tückischen – § 52 Abs. 2 StPO; OLG Karlsruhe FamRZ 2004,51; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 831; OLG Koblenz NZFam 2014, 716. Zur fehlenden Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft siehe BGH FamRZ 2015, 42; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 678; OLG Naumburg MDR 2015, 161.

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