Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 11. Januar 2022 wird zurückgewiesen; klarstellend wird der Beschluss vom 11. Januar 2022 wie folgt neu gefasst:

Dem Beschwerdeführer wird die Vertretungsmacht für das Kind J... M... K..., geboren am ... 2008, im Erbscheinsverfahren nach der verstorbenen Kindesmutter P... E... K... entzogen.

Soweit dem Beschwerdeführer die Vertretungsmacht entzogen ist, wird Ergänzungspflegschaft angeordnet.

Als Ergänzungspfleger wird Herr Rechtsanwalt H... E..., ...straße 41, ... F..., in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit eingesetzt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer ist der sorgeberechtigte Vater der betroffenen 14jährigen J... K.... Die Ehefrau des Beschwerdeführers und Mutter der betroffenen Jugendlichen, Frau P... E... K... ist am ... 2021 verstorben. Am 5. Oktober hat der Beschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins nach seiner verstorbenen Frau beantragt, der seine Alleinerbenstellung ausweisen soll. Das Nachlassgericht hat die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Vertretung der Minderjährigen J... im Erbscheinsverfahren angeregt.

Vor dem Ableben der P... E... K... hatten die Eheleute K... ein 8seitiges Testament errichtet, welches wechselseitige Einsetzung des Letztversterbenden zum alleinigen Vollerben sowie umfangreiche Vermächtnisanordnungen, Testamentsvollstreckeranweisungen und weitere Anordnungen enthält (Bl. 8 - 12).

Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - hat dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu äußern und durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 18 ff.) für die betroffene Jugendliche eine Ergänzungspflegschaft für das Erbscheinsverfahren, das in der Beschlussformel offenbar versehentlich als "Erbschaftsverfahren" bezeichnet ist, angeordnet und den Beteiligten zu 2. als Ergänzungspfleger ausgewählt.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt der Beschwerdeführer die Aufhebung der Ergänzungspflegschaft und macht geltend, die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB seien nicht erfüllt. Weder sei er gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, noch liege ein Fall des §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB vor. Ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Vater und Tochter bestehe im Erbscheinsverfahren nicht.

Der Senat hat die Sache auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen, die den Beschwerdeführer und die betroffene Jugendliche persönlich angehört hat. Der Beteiligte zu 2. hat sich schriftlich geäußert.

II. Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht Ergänzungspflegschaft angeordnet, weil die Voraussetzungen hierfür nach §§ 1909 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2, 1. Alt. BGB vorliegen.

Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Die Eltern müssen an der Besorgung von einzelnen Angelegenheiten für das Kind tatsächlich oder rechtlich verhindert sein (MüKo BGB/Schwab, 7. A., § 1909 BGB, Rn. 11).

1. Eine Verhinderung des Beschwerdeführers ergibt sich nicht aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1795 BGB. Der Beschwerdeführer ist von der gesetzlichen Vertretung seiner Tochter nicht schon kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ein Ausschlussgrund nach den genannten Vorschriften liegt nicht vor. Die Beantragung eines Erbscheins ist kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1795 Abs. 1 BGB.

Ein Ausschlussgrund ergibt sich auch nicht aus § 181 BGB, denn ein Insichgeschäft im Sinne dieser Vorschrift steht im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nicht im Raum.

2. Dem Beschwerdeführer als dem gemäß § 1680 Abs. 1 BGB allein Sorgeberechtigten ist die Vertretungsmacht für das Erbscheinsverfahren nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3 Hs. 1, 1796 BGB zu entziehen. Nach diesen Vorschriften kann das Familiengericht den Sorgeberechtigten die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen. Nach Abs. 2, 1. Alt. der Vorschrift soll es dies nur dann tun, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse des Sorgeberechtigten in erheblichem Gegensatz steht.

Diese Voraussetzung ist hier zu bejahen. Ein Interessengegensatz besteht, wenn die unterschiedlichen Belange, Nutzen oder Vorteile der beiden Interessenträger ein rechtsgeschäftliches Verhalten in gegensätzlichem Sinne beeinflussen können, wenn also die Förderung des einen Interesses nur auf Kosten des anderen möglich ist, wobei eine objektive Beurteilung zu erfolgen hat (vgl. Heilmann/Fink, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. A, 2020, § 1629 BGB Rn. 24; OLG Köln FamRZ 2001, 430). Der Interessengegensatz muss im Verfahren konkret feststehen; die bloße Möglichkeit oder Vermutung des Interessengegensatzes genügt nicht (Lafontaine/Herberger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., §...

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