Rz. 76

Nach der Legaldefinition des § 1631 Abs. 1 BGB umfasst die Personensorge primär die Pflicht und das Recht der Eltern, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.

Diese tatsächlichen Betreuungsaufgaben korrespondieren mit dem in § 1632 Abs. 2 BGB verankerten Recht der Eltern, über den Umgang des Kindes mit Dritten zu bestimmen (siehe dazu eingehend § 4 Rdn 16 ff.; zur Umgangspflegschaft siehe § 2 Rdn 39)[266] und auch von einem Dritten die Herausgabe des Kindes zu verlangen, wenn dieser es ihnen widerrechtlich vorenthält (§ 1632 Abs. 1 BGB).[267] Dieses elterliche Bestimmungsrecht wird lediglich begrenzt, soweit ansonsten fundamentale Kindesinteressen oder Kindesrechte beeinträchtigt würden. Besondere Bedeutung hat dies etwa bei freiheitsentziehenden Maßnahmen. Nach den Vorgaben des § 1631b BGB sind diese nur mit ausdrücklicher familiengerichtlicher Genehmigung zulässig (siehe dazu Rdn 92 f.).

 

Rz. 77

Eine Einschränkung der Personensorge kann in Teilbereichen auch durch das öffentliche Recht erfolgen. Zu denken ist hierbei vorrangig an die Schulpflicht,[268] der sich gegebenenfalls auch religiös-weltanschauliche Vorgaben unterordnen müssen, oder Fälle der Strafhaft Minderjähriger, ohne dass dies das Erziehungsrecht der Eltern außer Kraft setzt.

 

Rz. 78

Die Elternrechte finden ihre Grenzen ferner dort, wo dies zum Schutz des Kindes angezeigt ist. Erfasst werden hiervon höchstpersönliche Lebensbereiche des Minderjährigen, wie etwa die Empfängnisverhütung. Hierbei sind die Vorgaben des § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB zu beachten; der wachsenden Fähigkeit und dem wachsenden Bedürfnis des Kindes zu einem selbstständigen verantwortungsbewussten Handeln ist Rechnung zu tragen (zum Schwangerschaftsabbruch siehe Rdn 96, zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen siehe Rdn 108):

Die Personensorge entfällt im Zusammenhang mit einer Eheschließung des Minderjährigen (zu den diesbezüglichen Anerkennungsproblemen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen siehe eingehend § 12 Rdn 119 ff.),[269] wobei das Erziehungsrecht selbst dann nicht wieder auflebt, wenn es noch vor der Volljährigkeit zu einer Eheauflösung kommt.[270] Die elterliche Sorge beschränkt sich dann auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten sowie auf die Vermögenssorge,[271] die durch die Heirat ohnehin nicht berührt wird und damit bis zur Volljährigkeit gilt.

[268] BVerfG 2015, 27; BVerfG NJW 2009, 3151; BGH FamRZ 2008, 45; BayVGH DÖV 2009, 542; OLG Dresden FamRZ 2015, 676; OLG Hamm FamRZ 2014, 398; OLG Köln FamRZ 2015, 675; Avenarius, Schulpflicht vs. Homeschooling – Die neuere Rechtsprechung des BVerfG zur Integrationsaufgabe der öffentlichen Schule, NZFam 2015, 342; Heinz, Familiengrundrecht und staatliches Wächteramt – "homeschooling" vor dem BVerfG, FuR 2016, 328..
[269] Siehe zur Zwangsverheiratung bei Kindern und Jugendlichen Balikci, JAmt 2012, 629.
[270] Palandt/Götz, § 1633 BGB Rn 1.
[271] Schulz/Hauß/Schmid § 1633 BGB Rn 2.

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