Rz. 28

Der Kommissionsentwurf zur EuErbVO vom November 2009 hatte in Art. 50 eine Übergangsregelung vorgesehen, wonach die Verweisung auf das am Aufenthaltsort bei Errichtung der Verfügung geltende Recht uneingeschränkt auch für vor dem Anwendungsstichtag für die EuErbVO errichtete Verfügungen gelten soll. Das hätte zu überraschenden Folgen geführt:

 

Rz. 29

Hätten z.B. in Andalusien lebende Eheleute mit beiderseits deutscher Staatsangehörigkeit dort in holographer Form ein gemeinschaftliches Testament errichtet, so wäre dieses nach dem autonomen spanischen IPR wie auch nach dem autonomen deutschen IPR in seiner Wirksamkeit nach dem deutschen Heimatrecht der Eheleute zu beurteilen und damit wirksam gewesen. Die Anwendung des am gewöhnlichen Aufenthalt bei Errichtung geltenden Rechts hätte nach dem Kommissionsentwurf dagegen bei Eintritt des Erbfalls nach dem Anwendungsstichtag für die EuErbVO dazu geführt, dass Zulässigkeit und Wirksamkeit der Verfügung nach dem in Andalusien geltenden gemeinspanischen Erbrecht des código civil zu beurteilen wären. Dieser kennt keine gemeinschaftlichen Testamente und untersagt die gemeinschaftliche Errichtung ausdrücklich in Art. 669 CC.[27] Der durch das Testament begünstigte überlebende Ehegatte wäre so zum Verlierer der Umstellung der Anknüpfung von der Staatsangehörigkeit auf die Geltung des am gewöhnlichen Aufenthalt geltenden Rechts geworden. Das wäre extrem unbillig gewesen, haben sich doch die Eheleute im vorliegenden Fall an dem Recht orientiert, das sowohl aus Sicht der Gerichte ihres deutschen Heimatstaates als auch aus Sicht der Gerichte ihres spanischen Aufenthaltsstaates anwendbar gewesen wäre.

 

Rz. 30

Der Autor hatte im April 2010 in einer Expertenanhörung vor dem Europäischen Parlament vorgeschlagen, die Wirksamkeit von vor dem Anwendungsstichtag für die EuErbVO errichteten Verfügungen nicht unmittelbar dem am gewöhnlichen Aufenthalt bei Errichtung der Verfügung geltenden materiellen Erbrecht zu unterstellen, sondern stattdessen dem Recht, welches das am gewöhnlichen Aufenthalt bei Errichtung der Verfügung geltende IPR bestimmt. So wäre die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments im vorgenannten Beispielsfall nach dem von Art. 9.8 S. 3 span. CC bezeichneten deutschem Heimatrecht zu beurteilen. Nachdem die vorgeschlagene intertemporale Kollisionsnorm nicht unmittelbar eine bestimmte Rechtsordnung, sondern das zu ihrer Bestimmung anwendbare Kollisionsrecht bezeichnet, handelt es sich nicht um eine normale Kollisionsnorm, sondern quasi um eine "Meta-Kollisionsnorm".

 

Rz. 31

Art. 83 Abs. 3 EuErbVO versucht, im Wege eines optimierten favor testamenti durch eine gehäufte Anknüpfung jede Art von "Verlierer aufgrund der EuErbVO" zu vermeiden. Eine vor dem Anwendungsstichtag wirksame Verfügung soll auch weiterhin wirksam bleiben.[28]

 

Rz. 32

Eine vor dem 17.8.2015 errichtete Verfügung von Todes wegen ist nun zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn diese nach einer der folgenden Rechtsordnungen zulässig sowie materiell und formell wirksam ist:

 

Rz. 33

Nach der von Kapitel III der EuErbVO bestimmten Rechtsordnung. – Diese Regelung ist eigentlich überflüssig, denn die Anwendung des durch die Kollisionsnormen in Kapitel III der EuErbVO bezeichneten Rechts bei Eintritt des Erbfalls nach dem 16.8.2015 auch auf vor diesem Stichtag errichtete Verfügungen ergibt sich bereits aus Art. 83 Abs. 1 EuErbVO. Das bedeutet dann also das nach Art. 24 bzw. Art. 25 EuErbVO bestimmte Recht, mithin das am gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung (Art. 24 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1, 2, jeweils i.V.m. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) geltende Recht. Darüber hinaus kommt aber über Art. 24 Abs. 2, Art. 25 Abs. 3 EuErbVO auch die Anwendung eines gewählten Heimatrechts in Betracht. Diese wird gerade in Fällen der Errichtung des Testaments vor der Verkündung der EuErbVO im Juli 2012 in der Praxis selten sein. Bedeutung könnte diesem Fall aber aufgrund der "Fiktion" einer entsprechenden Rechtswahl in diesen Fällen durch Art. 83 Abs. 4 EuErbVO zukommen (siehe Rdn 39). Da die Verfügung von Todes wegen erst mit Eintritt des Erbfalls wirksam wird, handelt es sich hier nicht um einen Fall der Rückwirkung, sondern rechtstechnisch gesehen um einen Fall der sog. unechten Rückwirkung. Wegen der auch hier gegebenen Gefahr, dass Vertrauen in die Wirksamkeit einer Verfügung enttäuscht wird, ist aber in gleicher Weise die Notwendigkeit gegeben, unerwartete Auswirkungen der Rückwirkung zu vermeiden.
Nach der von den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, bestimmten Rechtsordnung. – Diese Verweisung kombiniert die Wertung der EuErbVO, wonach die engste Verbindung zu dem Recht besteht, in dem eine Person aktuell ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, mit der Rücksichtnahme auf die damalige Situation des Erblassers, der sich an dem damals geltenden IPR orientiert.
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