Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
a) Allgemeines
Rz. 148
Eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG liegt vor, wenn die Parteien den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigen. Ein gegenseitiges Nachgeben, wie bei einem Vergleich im Sinne von § 779 BGB, ist nicht erforderlich, so dass auch einseitige Zugeständnisse wie z.B. eine teilweise Kostenübernahme oder die Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit ausreichen. Mit der Ergänzung von Anm. Abs. 1 S. 1 um die weitere Tatbestandsalternative in Nr. 2 hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Einigungsgebühr auf den Abschluss von (Raten-)Zahlungsvereinbarungen erweitert: Die Einigungsgebühr fällt auch bei einer Vereinbarung über die Erfüllung des Anspruchs unter gleichzeitigem Verzicht auf Titulierung bzw. Vollstreckungsmaßnahmen an. Es ist jetzt also eine Einigung erforderlich, in welcher der Schuldner die Erfüllung des Anspruchs zusagt und der Gläubiger ihm durch die Gewährung von Ratenzahlung oder Stundung entgegenkommt und gleichzeitig für den Zeitraum der Ratenzahlung oder Stundung vorläufig auf eine Titulierung bzw. auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet. Durch diese Regelung erübrigt sich der bisherige Streit in der Rechtsprechung, ob eine Einigungsgebühr auch in solchen Fällen entstehen kann, in denen die Forderung als solche nicht streitig ist.
Rz. 149
Beispiel
Fahrer F verlangt, vertreten durch Anwalt A, von seinem Unfallgegner G außergerichtlich Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR (durchschnittliche Angelegenheit). G bringt nur vor, er könne aufgrund finanzieller Schwierigkeiten lediglich in Raten zahlen. Die Parteien einigen sich, dass G den Betrag in 20 monatlichen Raten zu je 500 EUR mit entsprechender Verzinsung zahlt.
A kann folgende Gebühren aus einem Wert von 10.000 EUR abrechnen:
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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798,20 EUR |
2. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 |
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921,00 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.739,20 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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330,45 EUR |
Gesamt |
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2.069,65 EUR |
Rz. 150
Allerdings liegt dann keine Einigung im Sinne von Nrn. 1000 ff. VV RVG vor, wenn der Vertrag zwischen den Parteien sich nur auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt.
Rz. 151
Beispiel
Erkennt der Unfallgegner in einer gemeinsamen Besprechung die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach an und sind auch sonst keinerlei Zugeständnisse erkennbar, so entsteht keine Einigungsgebühr. Ob der Anwalt für diese Besprechung zumindest eine Terminsgebühr verlangen kann, hängt davon ab, ob er bereits einen Klageauftrag erhalten hat (vgl. dazu Rdn 53, 79 f.).
b) Abfindungsvereinbarung
Rz. 152
Schließen die Unfallbeteiligten eine Abfindungsvereinbarung, so handelt es sich dabei um eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG, weil nicht nur der Streit über bestehende Schadenspositionen beseitigt werden soll, sondern auch die Ungewissheit über zukünftige Ansprüche aus dem betreffenden Unfallgeschehen. Auch wenn der Haftpflichtversicherer einen Teil des Schadens bereits einseitig abgerechnet hat und dann nach Einigung über den Restschaden eine Abfindungserklärung unter Verzicht auf weitere Ansprüche erteilt wird, liegt eine Einigung über die Gesamtforderung vor.
Rz. 153
Beispiel
Eigentümer E macht nach einem Verkehrsunfall Sachschaden in Höhe von 5.000 EUR, Nutzungsausfallschaden in Höhe von 450 EUR und Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 EUR geltend. Außerdem verlangt er eine Erklärung des Gegners, dass dieser auch für künftige Folgeschäden aus der Unfallverletzung einzustehen habe (Wert: 4.000 EUR). Der gegnerische Haftpflichtversicherer zahlt den Sachschaden in voller Höhe und ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 EUR. Nach weiterem Schriftwechsel einigen sich die Parteien schließlich auf eine weitere Zahlung in Höhe von 200 EUR für den Nutzungsausfall. E unterschreibt sodann eine Abfindungsvereinbarung, die sich auf sämtliche Schäden aus dem Unfallereignis bezieht.
Für den Anwalt des E sind folgende Gebühren aus einem Wert von 11.450 EUR entstanden (insgesamt durchschnittliche Angelegenheit):
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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865,80 EUR |
2. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 |
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999,00 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.884,80 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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358,11 EUR |
Gesamt |
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2.242,91 EUR |
Rz. 154
Diese Gebührenforderung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Die Erstattungsforderungen gegen den Gegner berechnen sich dagegen nicht nach dem gesamten Auftragswert, sondern nach dem Erledigungswert (vgl. dazu § 3 Rdn 94 ff.).