Rz. 75

Die Teilnahme an Beweisaufnahmen und an Besprechungen mit Dritten löst keine gesonderten Gebühren aus, da die entsprechenden Gebührentatbestände des § 118 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BRAGO nicht in das RVG übernommen wurden. Damit sollten nach dem Willen des Gesetzgebers die außergerichtlichen Erledigungen gefördert werden, weil der Griff zum Telefon und die damit mögliche gütliche Einigung nicht mehr aus gebührenrechtlichen Gründen gemieden werden.[39] Eine entsprechende Tätigkeit des Anwalts kann aber gemäß § 14 RVG bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden.[40]

 

Rz. 76

 

Beispiel

Im Rahmen der Unfallregulierung nimmt Anwalt A, nachdem er ein Aufforderungsschreiben mit der Schilderung des Unfallhergangs, zur Haftungsquote und zu den einzelnen Schadenspositionen verfasst hat, telefonisch Kontakt zum gegnerischen Haftpflichtversicherer auf. In einem 15-minütigen Telefonat werden die Fragen der Haftungsquoten sowie Einwendungen zu einzelnen Schadenspositionen erörtert. Eine Einigung scheitert.

Für diese Besprechung kann A keine gesonderte Gebühr in Rechnung stellen. Jedoch ist das Telefonat bei der Bemessung der konkreten Gebühr aus dem Rahmen von 0,5 bis 2,5 nach Nr. 2300 VV RVG zu berücksichtigen, wobei ein Rahmen von mehr als der Regelgebühr (1,3) angemessen sein wird.

 

Rz. 77

Ein kurzes Telefonat mit Nachfragen – beispielsweise bei der Werkstatt, ob der Kostenvoranschlag schon übersandt ist, oder beim Versicherer, ob schon Zahlungen geleistet wurden – fällt hingegen bei der Gebührenbemessung nicht ins Gewicht.

 

Rz. 78

 

Hinweis

Um spätere Diskussionen oder Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, über jede Besprechung einen Vermerk zu fertigen, in dem Datum, Uhrzeit, Name des Gesprächspartners, Dauer und Inhalt des Gesprächs festgehalten werden.

 

Rz. 79

Außergerichtliche Besprechungen können unter bestimmten Umständen eine Terminsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG (außergerichtliche Besprechung) auslösen. Denn die Gebühr setzt nicht voraus, dass ein Klageverfahren über den Gegenstand der Besprechung bereits anhängig ist. In Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG ist sowohl von "Erledigung" als auch von "Vermeidung" des gerichtlichen Verfahrens die Rede: Ein anhängiges Verfahren kann man erledigen, ein noch nicht anhängiges Verfahren kann man vermeiden. Jedoch wurde schon bisher von der zutreffenden herrschenden Meinung[41] für die Entstehung der Terminsgebühr ein Verfahrensauftrag verlangt, an dem es bei einer außergerichtlichen Tätigkeit (inkl. einem bislang noch bedingten Klageauftrag) fehlt.

 

Rz. 80

Die früher vertretene Gegenmeinung,[42] die die Entstehung einer Terminsgebühr für eine außergerichtliche Besprechung auch ohne Klageauftrag bejahte, weil sich dem Gesetz ein solches Erfordernis nicht entnehmen lasse, ist nach aktueller Rechtslage nicht mehr vertretbar. Denn in Vorb. 3 Abs. 1 VV RVG wird ausdrücklich klargestellt, dass Gebühren nach Teil 3 VV RVG nur derjenige Rechtsanwalt erhält, dem ein unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter erteilt worden ist.

 

Rz. 81

Es gilt also Folgendes: Hat der Anwalt hinsichtlich der Ansprüche, die Gegenstand der Besprechung sind, einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung, erhält er die Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG, wobei die Durchführung der Besprechung bei der Bestimmung der Gebührenhöhe aus dem Rahmen von 0,5 bis 2,5 berücksichtigt werden kann. Hat er hinsichtlich des Gegenstands der Besprechung bereits einen Verfahrensauftrag, erhält er bei Durchführung einer Besprechung – neben der Verfahrensgebühr – die Terminsgebühr.

[39] Vgl. BT-Drucks 15/1971, 207.
[40] Enders, JurBüro 2004, 459, 461; Madert, AGS 2000, 185, 187. Soweit das AG Stuttgart (JurBüro 2005, 308) auf die objektiv erforderliche Dauer der Besprechung abstellt, überzeugt dies nicht. Entscheidend ist der tatsächliche Aufwand des Anwalts – wenn dieser aufgrund der besonderen Lebensumstände des Mandanten erhöht war, muss dies bei der Bestimmung der Rahmengebühr Berücksichtigung finden (zutreffend insoweit LG Essen MDR 2005, 899).
[41] BGH AGS 2007, 166; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 358; AG Coburg JurBüro 2007, 641; AG Altenkirchen AGS 2007, 557; AG Essen-Steele r+s 2006, 70; AnwK-RVG (Onderka/N. Schneider), Vorb. 3 Rn 139; Bonnen, MDR 2005, 1084; Hartung, NJW 2004, 1409; Henke, AnwBl 2004, 363; Schons, NJW 2005, 3089; Pießkalla/Reichart, VRR 2009, 52 ff.
[42] AG Köln, Urt. v. 27.1.2006 – 111 C 543/05, n.v.

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