Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 178
Erteilen die Auftraggeber dagegen einen gemeinsamen Auftrag und sind ein einheitlicher Rahmen sowie ein innerer Zusammenhang für die anwaltlichen Tätigkeiten gegeben, so handelt es sich nur um eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit. Nach § 15 Abs. 1 RVG fallen die Gebühren dann nur einmal an.
Rz. 179
Innerhalb eines einheitlichen Auftrags ist wiederum zu unterscheiden: Bezieht sich die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber auf verschiedene Gegenstände, so entsteht die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus dem Gesamtwert aller Gegenstände (§ 22 Abs. 1 RVG).
Rz. 180
Beispiel
Nach einem Unfall beauftragten Eigentümer E und Fahrer F einen Anwalt, damit er für E Sachschaden (4.500 EUR) und für F Schmerzensgeld (1.000 EUR) geltend macht. Es wird ein einheitlicher Auftrag erteilt.
A erhält bei einer insgesamt durchschnittlichen Angelegenheit eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 5.500 EUR.
Rz. 181
Wird der Anwalt für mehrere Auftraggeber hinsichtlich desselben Gegenstandes tätig, erhält er nach § 7 Abs. 1 RVG die Gebühren ebenfalls nur einmal. Die Geschäftsgebühr erhöht sich aber gemäß Nr. 1008 VV RVG für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3. Der Höchstsatz beträgt bei mehreren Erhöhungen 2,0 (Anm. Abs. 3). Bei der Unfallschadensregulierung kommt eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber hinsichtlich desselben Gegenstands verhältnismäßig häufig vor, da neben dem Fahrer immer auch der Haftpflichtversicherer (§ 115 VVG) und eventuell auch der vom Fahrer personenverschiedene Halter in Anspruch genommen werden können.
Rz. 182
Soweit die Regelung in E.1.2.4 der Muster-AKB 2015 den Haftpflichtversicherer in Passivprozessen berechtigt, den Anwalt zu bestellen und den Rechtsstreit zu führen, bedeutet dies nicht, dass der Anwalt nur einen Auftraggeber hat. Denn die übrigen Beklagten (Fahrer und Halter) werden entweder über die dem Versicherer erteilte Vollmacht Auftraggeber oder können – diese Befugnis wird durch die AKB weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck ausgeschlossen – den Anwalt in eigenem Namen beauftragen.
Rz. 183
Die erhöhte Geschäftsgebühr berechnet sich aber stets nur nach demjenigen Wert, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind.
Rz. 184
Beispiel
E ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. Er beauftragt Anwalt A, den Sachschaden in Höhe von 12.000 EUR gegenüber dem Unfallgegner G geltend zu machen. G fordert seinerseits von E sowie von Fahrer F und Haftpflichtversicherer V Schadensersatz in Höhe von 7.000 EUR. Auch F und V beauftragen daraufhin A mit ihrer Vertretung (insgesamt durchschnittliche Tätigkeit).
Insgesamt beläuft sich der Gegenstandswert auf 19.000 EUR (§ 22 Abs. 1 RVG). Die Beteiligung der drei Auftraggeber des A ist allerdings unterschiedlich: An einem Teilwert von 12.000 EUR ist nur E beteiligt, da weder F noch V etwas mit der Geltendmachung des Sachschadens zu tun haben. An einem Teilwert von 7.000 EUR sind alle drei Auftraggeber beteiligt, da sie alle für den Sachschaden des G haften können.
Die Gebühren des A berechnen sich entsprechend der Teilwerte wie folgt:
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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aus 12.000 EUR |
865,80 EUR |
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2. 1,9-Geschäftsgebühr, VV 2300, 1008 |
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aus 7.000 EUR |
847,40 EUR |
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gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,9 aus 19.000 EUR |
1.463,00 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.483,00 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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281,77 EUR |
Gesamt |
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1.764,77 EUR |
Rz. 185
Die Gegenmeinung hält § 15 Abs. 3 RVG in diesen Fällen nicht für anwendbar. Sie ermittelt zunächst eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem gesamten Streitwert und nimmt sodann für den Teil mit demselben Gegenstand die Erhöhung vor.