Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 236
Anzurechnen ist die halbe Geschäftsgebühr, höchstens jedoch ein Gebührensatz von 0,75. Die Auslagenpauschale ist nicht anzurechnen, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Die Pauschale ist auch nicht etwa nach den Gebühren zu berechnen, die nach erfolgter Anrechnung verbleiben, da es sich lediglich um eine Berechnungsgröße handelt. Insofern sind zunächst sämtliche Gebühren nebst den jeweiligen Auslagenpauschalen zu berechnen. Erst dann ist die Anrechnung von den so ermittelten Beträgen vorzunehmen.
Rz. 237
Die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut auf "eine Geschäftsgebühr nach Teil 2". Aus diesem Grund findet eine Anrechnung nicht statt, wenn für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts keine solche Geschäftsgebühr nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG entstanden ist, sondern ein Pauschal- oder Stundenhonorar vereinbart wurde.
aa) Anwendung der Anrechnungsgrenze
Rz. 238
Die Anrechnungsgrenze von 0,75 wird immer dann relevant, wenn der Rechtsanwalt einen Gebührensatz von mehr als 1,5 berechnet, ansonsten ist die Hälfte der Geschäftsgebühr ohnehin niedriger.
Rz. 239
Beispiel
Anwalt A macht unfallbedingten Schaden in Höhe von 4.500 EUR geltend. Alle Umstände des Falles sind durchschnittlich. Da keine Zahlung erfolgt, wird er mit der Klageerhebung beauftragt.
A erhält aus einem Wert von 4.500 EUR:
I. Außergerichtliche Tätigkeit |
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1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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434,20 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
454,20 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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86,30 EUR |
Gesamt |
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540,50 EUR |
II. Gerichtliche Tätigkeit |
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1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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434,20 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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400,80 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
./. hälftige Geschäftsgebühr |
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– 217,10 EUR |
Zwischensumme |
637,90 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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121,20 EUR |
Gesamt |
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759,10 EUR |
Rz. 240
Dagegen greift die Anrechnungsgrenze ein, wenn die hälftige Geschäftsgebühr höher ist als 0,75, weil der Rechtsanwalt einen Gebührensatz von mehr als 1,5 für angemessen hält.
Rz. 241
Beispiel
Anwalt A wird mit der Abwehr einer Forderung in Höhe von 6.800 EUR beauftragt. Da die Rechtslage sehr kompliziert ist und umfangreicher Schriftverkehr sowie zahlreiche Besprechungen erforderlich sind, bestimmt er als angemessene Geschäftsgebühr einen Gebührensatz von 2,0. Danach macht die Gegenseite die Forderung gerichtlich geltend. A wird mit der Prozessvertretung beauftragt.
Folgende Gebühren sind aus einem Wert von 6.800 EUR entstanden:
I. Außergerichtliche Tätigkeit |
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1. 2,0-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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892,00 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
912,00 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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173,28 EUR |
Gesamt |
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1.085,28 EUR |
II. Gerichtliche Tätigkeit |
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1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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579,80 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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535,20 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
./. 0,75-Geschäftsgebühr |
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– 334,50 EUR |
Zwischensumme |
800,50 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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152,10 EUR |
Gesamt |
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952,60 EUR |
bb) Gerichtlicher Gegenstandswert geringer
Rz. 242
Nach Vorb. 3 Abs. 4 S. 5 VV RVG erfolgt die Anrechnung nach dem Wert desjenigen Gegenstandes, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist. Bei Teilregulierung eines Unfallschadens vor Klageerhebung muss daher berücksichtigt werden, dass die Angelegenheit nur mit einem geringeren Wert in das gerichtliche Verfahren übergeht.
Rz. 243
Beispiel
Anwalt A wird mit der außergerichtlichen Geltendmachung einer Schadensersatzforderung von 8.000 EUR beauftragt. Der gegnerische Versicherer zahlt lediglich 5.000 EUR. Nunmehr erhebt A Klage über den Restbetrag.
A erhält für die außergerichtliche Tätigkeit aus einem Wert von 8.000 EUR:
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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652,60 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
672,60 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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127,79 EUR |
Gesamt |
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800,39 EUR |
Die Angelegenheit ist lediglich mit einem Gegenstandswert von 3.000 EUR in das gerichtliche Verfahren übergegangen. Für das gerichtliche Verfahren erhält A somit aus einem Wert von 3.000 EUR:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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288,60 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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266,40 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
./. hälftige Geschäftsgebühr aus 3.000 EUR |
– 144,30 EUR |
Zwischensumm... |