Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 49
Die außergerichtliche Vertretung des Mandanten bildet den Hauptaufgabenbereich der anwaltlichen Tätigkeit in der Unfallschadensregulierung. Der Großteil aller Streitigkeiten aus Verkehrsunfällen lässt sich im Rahmen der außergerichtlichen Verhandlungen mit Unfallgegner und Versicherer beilegen. Nachfolgend werden die Einzelheiten zur Abrechnung der Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) dargestellt, die der Anwalt für eine solche außergerichtliche Vertretung verlangen kann. Der nachfolgende Abschnitt befasst sich dann mit der Einigungsgebühr, die in diesem Bereich ebenfalls anfallen kann.
1. Auftrag
Rz. 50
Nach der Regelung in E.1.2.4 AKB 2015 hat der Versicherungsnehmer, wenn gegen ihn Haftpflichtansprüche gerichtlich geltend gemacht werden, die Führung des Rechtsstreits seinem Haftpflichtversicherer zu überlassen. Darüber hinaus ist der Versicherungsnehmer auch verpflichtet, dem vom Versicherer bestellten Anwalt Vollmacht und jede verlangte Aufklärung zu geben. Dieser Vorrang des Versicherers bei der Mandatierung des Anwalts gilt jedoch nur für das gerichtliche Verfahren. Im Rahmen einer außergerichtlichen Vertretung bleibt es dem Versicherungsnehmer auch im Verhältnis zu seinem Haftpflichtversicherer unbenommen, einen Anwalt seiner Wahl mit der Unfallschadensregulierung zu beauftragen (vgl. dazu § 3 Rdn 89).
Rz. 51
Die Geschäftsgebühr kann nur für Tätigkeiten des Anwalts entstehen, die auf eine außergerichtliche Vertretung des Mandanten gerichtet sind. Bezieht sich der Auftrag dagegen auf ein gerichtliches Verfahren oder auf eine Beratung, fällt keine Geschäftsgebühr an. Maßgeblich ist dabei nicht, welche Tätigkeit der Anwalt tatsächlich ausführt, sondern welchen Auftrag er hat. Es kommt also darauf an, ob seine Tätigkeit nach dem Willen des Auftraggebers auf ein gerichtliches Verfahren, auf eine Beratung oder auf eine außergerichtliche Vertretung abzielen soll. Der Inhalt des Auftrags ist durch Auslegung zu ermitteln.
a) Abgrenzung zum Beratungsauftrag
Rz. 52
Für die Beratung sieht § 34 Abs. 1 RVG den Abschluss einer Gebührenvereinbarung vor. Daher kommt der Abgrenzung zwischen Beratung und außergerichtlicher Vertretung eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Kommt das Gericht beispielsweise im Rahmen einer Honorarklage zu der Einschätzung, dass der Anwalt nicht mit einer Vertretung, sondern mit einer Beratung beauftragt war, dann ist er – ohne Abschluss einer Gebührenvereinbarung – auf die Vergütung nach dem BGB bzw. bei einem Verbraucher auf eine Vergütung in Höhe von maximal 250 EUR beschränkt. Dies kann im Einzelfall zu empfindlichen Vergütungseinbußen führen.
Rz. 53
Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Beratung und Vertretung sind der Auftrag sowie die auftragsgemäß vom Rechtsanwalt auszuführende Tätigkeit. In Abgrenzung zur Beratung bezieht sich der eine Geschäftsgebühr auslösende Auftrag nicht auf eine Auskunft oder Verhaltensempfehlung in einer bestimmten Situation, sondern auf eine weitergehende Befassung mit den tatsächlichen und rechtlichen Problemen der Angelegenheit. Die Übergänge können im Einzelfall fließend sein. Wird der Anwalt auftragsgemäß gegenüber Dritten tätig, ist dies Indiz für eine Vertretung im Sinne von Nr. 2300 VV RVG. Die Geschäftsgebühr kann jedoch auch entstehen, ohne dass eine solche Tätigkeit nach außen erfolgt.
Rz. 54
Beispiel
Fahrer F hatte einen Verkehrsunfall. Der gegnerische Versicherer zeigt sich grundsätzlich einigungsbereit und bittet um Vorschläge, wie der Schaden reguliert werden kann. Der sodann von F beauftragte Anwalt fertigt den Entwurf einer Einigungsvereinbarung und bespricht diesen im Hinblick auf mögliche Einwendungen des gegnerischen Versicherers mit F, der im Weiteren allein mit dem Versicherer verhandeln will.
Auch wenn...