Rz. 78
Wird eine Abmahnung ausgesprochen, hat zunächst jeder Arbeitnehmer das Recht, eine Gegendarstellung abzugeben, die in die Personalakte aufzunehmen ist. Verpflichtet ist der Arbeitnehmer hierzu nicht. Daneben besteht die Möglichkeit, die Beschwerderechte der §§ 84 ff. BetrVG in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat danach das Recht, sich sowohl bei seinem Arbeitgeber als auch unmittelbar bei dem Betriebsrat zu beschweren.
Rz. 79
Ist eine Abmahnung zu Unrecht erteilt worden, besteht ein Entfernungsanspruch. Dieser Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte kann gerichtlich durchgesetzt werden. Neben dem Entfernungsanspruch kann im Einzelfall auch ein Anspruch auf Widerruf gegen den Arbeitgeber bestehen. Ein solches Widerrufsrecht besteht insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer durch Behauptungen des Arbeitgebers in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt oder in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Ein Widerrufsanspruch des Arbeitnehmers setzt jedoch voraus, dass die Rechtsbeeinträchtigungen andauern und auch durch den Widerruf beseitigt werden können. Das Widerrufsrecht besteht damit nicht generell, sondern nur in besonders gelagerten Fällen.
Rz. 80
Die Frage, ob die Abmahnung nach Erteilung innerhalb einer Regelfrist ihre Wirkung verliert und damit auch bei einem Wiederholungsfall nicht mehr relevant ist, wird uneinheitlich beantwortet. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass es keine Regelfrist für eine solche Wirkungslosigkeit gibt. Wenn für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren kein weiteres Fehlverhalten auftritt, verlieren aber auch Abmahnung wegen schwerer Verstöße regelmäßig ihre kündigungsrechtliche Bedeutung. Tarifliche Ausschlussfristen berühren das Abmahnungsrecht nicht.
Rz. 81
Praxishinweis
Wird eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen, bedarf es regelmäßig der vorherigen Abmahnung. Liegt diese über ein Jahr zurück, bestehen bereits Risiken für die Wirksamkeit der Kündigung. Liegen zwischen dem ersten Fehlverhalten und dem Wiederholungsfall lange Zeiträume, sollte daher zunächst der Ausspruch einer weiteren Abmahnung erwogen werden.
Rz. 82
Nach der Rechtsprechung des BAG besteht kein generelles Recht auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit, denn die Abmahnung habe nicht nur kündigungsschutzrechtliche Bedeutung, sondern gebe auch Aufschluss über die Entwicklung eines Arbeitnehmers (sogenannte Dokumentationsfunktion). Für eine umfassende Beurteilung der Entwicklung des Arbeitgebers bedürfe es einer lückenlosen Personalakte, ein Entfernungsanspruch sei daher auch für eine wegen Zeitablaufs wirkungslos gewordene Abmahnung zu verneinen. Mit dem sogenannten "Emmely"-Urteil des BAG wurden für die Bedeutung von Abmahnungen in Personalakten neue Maßstäbe gesetzt. Aufgrund der langjährigen und störungsfreien Betriebszugehörigkeit sprach das BAG einer Arbeitnehmerin ein Vertrauenskapital zu, welches mit den Arbeitgeberinteressen an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgewogen und in dieser Abwägung als überwiegendes Interesse bewertet wurde. Dies verdeutlicht, dass Arbeitgebern daran gelegen sein sollte, in langjährigen Arbeitsverhältnissen aufgetretene Störungen während der gesamten Vertragsdauer nachweisen zu können. Solche Störungen werden sich regelmäßig als Abmahnungen in den Personalakten zeigen. So ist es für Arbeitgeber wichtig, dass die Abmahnungen nicht nach dem Ablauf einer gewissen Zeit aus der Personalakte entfernt werden. Den Arbeitgebern steht in der Regel ein berechtigtes Interesse an dem Verbleib der Abmahnungen in den Personalakten zu.