Rz. 112

Die Verdachtskündigung ist ein besonderes Institut des Arbeitsrechts.[137] Ihr liegt nicht eine bereits erwiesene strafbare Handlung oder erhebliche Vertragsverletzung des Arbeitnehmers zugrunde, sondern der bloße Verdacht, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben könnte. Das notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers und damit auch der Vertrauenstatbestand für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses können auch durch einen konkretisierten Verdacht zerstört sein.

 

Rz. 113

Gerade wegen des Umstandes, dass eine Straftat oder erhebliche Pflichtverletzung nicht erwiesen ist, ist bei der Verdachtskündigung Vorsicht geboten. Der Verdacht muss objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet sein, es muss also eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der zur Kündigung anstehende Arbeitnehmer die Straftat oder erhebliche Pflichtverletzung begangen hat. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Verdachtskündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Der sodann ermittelte Verdacht darf sich nicht in einer bloßen Wertung erschöpfen, vielmehr muss eine Konkretisierung erfolgen, die es dem betroffenen Arbeitnehmer ermöglicht, sich hierzu substantiiert zu äußern. Aus diesem Grund ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, den Arbeitnehmer zur Aufklärung anzuhören. Diese Anhörung ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung.

 

Rz. 114

Checkliste: Verdachtskündigung

Feststellung eines Verdachts von erheblichem Gewicht, der das Vertrauensverhältnis unheilbar zerstört
Feststellung objektiv nachweisbarer Tatsachen, die den Verdacht gerade gegen den bestimmten Arbeitnehmer begründen
Aufklärungsbemühen des Arbeitgebers ohne Entkräftung der Verdachtsmomente, auch nach Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers
Interessenabwägung
Entscheidung zur ordentlichen und/oder fristlosen Kündigung
 

Rz. 115

Liegen begründete Verdachtsmomente vor, darf der Arbeitgeber diese Verdachtsmomente zum Anlass nehmen, mit dem Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung unter Hinweis auf die sonst folgende fristlose Verdachtskündigung abzuschließen. Das Arbeitsgericht Hannover hat dies für den Fall des ­Datenmissbrauchs bei Dateien pornografischen Inhalts bestätigt und die Anfechtung einer entsprechenden Aufhebungsvereinbarung abgelehnt.[138] Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die außerordentliche ­Verdachtskündigung für den Fall des schwerwiegenden Verdachts einer exzessiven privaten Internetnutzung in einem längeren Zeitraum bejaht.[139] Das LAG Thüringen hat die Anfechtung einer Aufhebungsvereinbarung durch den Arbeitnehmer aufgrund widerrechtlicher Drohung in einem Fall zurückgewiesen, in welchem der Arbeitnehmer regelmäßig bis zu 30 Minuten wöchentlich das Internet zu privaten Zwecken genutzt und die Betriebsmittel des Arbeitgebers dazu verwendet hat, über 40 pornografische Seiten aufzusuchen und 89 pornografische Farbausdrucke zu fertigen. Zur Vermeidung einer fristlosen Kündigung bot der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der als Führungskraft tätig war, einen Aufhebungsvertrag an.[140] Das LAG Berlin-Brandenburg stellte im Fall einer privaten Internetnutzung entgegen eines ausdrücklichen Verbotes fest, dass es sich bei der Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nicht um eine widerrechtliche Drohung gehandelt habe.[141] Im Fall einer Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung bei bereits durch eine ordentliche Kündigung verbrauchten Sachverhalt stellte das LAG Rheinland-Pfalz die Anfechtbarkeit einer Aufhebungsvereinbarung fest.[142]

[137] Siehe Übersicht im HB-KR/Pauly, § 2 Rn 30 ff.
[139] ArbG Düsseldorf 29.10.2007 – 3 Ca 1455/07, juris.
[140] LAG Thüringen 5.3.2009 – 3 Sa 41/08, BeckRS 2011, 65589.
[141] LAG Berlin-Brandenburg 18.3.2015 – 17 Sa 2219/14, NZA-RR 2015, 402.
[142] LAG Rheinland-Pfalz 24.1.2014 – 1 Sa 451/13, LAGE § 123 BGB 2002 Nr 11.

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