Rz. 117
Auf Arbeitgeberseite ist bei einer unerlaubten Nutzung der vorhandenen Kommunikationseinrichtungen das Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfahrungsgemäß besonders groß. Wie bereits dargestellt, gilt der generelle Grundsatz, dass zunächst vorrangig eine Abmahnung auszusprechen ist. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Grundsätzen der fristlosen Kündigung. Anhand konkreter Beispielsfälle werden diejenigen Fälle, in denen eine außerordentliche Kündigung für ausnahmsweise zulässig erklärt wurde, exemplarisch aufgelistet. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Grundsatzentscheidungen des BAG.
1. Grundsätze
Rz. 118
Die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB ist das einseitige Gestaltungsrecht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis vorzeitig ohne Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist bzw. vor Ablauf einer vereinbarten Befristung zu beenden. Die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung besteht insbesondere auch im unkündbar vereinbarten Arbeitsverhältnis. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann nicht vertraglich eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Vielmehr kann bei Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes jedes Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden. Der fristlos Kündigende muss zweifelsfrei seinen Willen zum Ausdruck bringen, dass er das Arbeitsverhältnis sofort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Auslauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist außerordentlich beenden will. Regelmäßig wird eine außerordentliche Kündigung mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vorsorglich verbunden.
Rz. 119
Eine außerordentliche Kündigung ist nur ausnahmsweise zulässig und begründet. Es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten befristeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Rz. 120
Der konkrete Kündigungsgrund muss stets ein Sachverhalt sein, der an sich (erste Prüfungsstufe) geeignet ist, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar auszuschließen. Dies allein reicht jedoch nicht aus. § 626 Abs. 1 BGB stellt ausdrücklich auf die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und die Abwägung der Interessen beider Vertragsteile (zweite Prüfungsstufe) ab. Um diese umfassende, einzelfallbezogene Feststellung und Bewertung zu gewährleisten, werden die Tatbestandsvoraussetzungen daher in zwei Stufen überprüft: Zunächst ist zu ermitteln, ob der Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund zu bilden. In der zweiten Stufe wird untersucht, ob die konkrete Kündigung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Interessenabwägung gerechtfertigt ist. In den Grundsatzentscheidungen des BAG hat der zuständige 2. Senat sich stets mit der ersten Prüfungsstufe befasst. In allen vier Fällen wurden aber die Rechtsstreite an die Vorinstanzen zurückverwiesen, zum einen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung, zum anderen aber auch wegen der notwendigen Interessenabwägung im Einzelfall, die nur die Instanzgerichte leisten können.
Rz. 121
Besondere Beachtung ist auf die Einhaltung der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu legen. Diese Ausschlussfrist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Für eine sichere Kenntnis ist eine angemessene Aufklärung des Kündigungssachverhaltes zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Kündigungsberechtigte regelmäßig den Kündigungssachverhalt aufklären und hierzu den zu Kündigenden hören soll und darf. Die Aufklärung muss allerdings unverzüglich erfolgen. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit Abschluss der Ermittlungen und damit regelmäßig erst mit Beendigung der Anhörung des zu Kündigenden zu laufen. Die Frist endet mit Ablauf desselben Wochentages zwei Wochen später. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die Kündigung zugegangen sein.
Rz. 122
Praxishinweis
Werden bei einem Mitarbeiter Verfehlungen hinsichtlich der Betriebsmittelnutzung moderner Kommunikationseinrichtungen festgestellt, muss der Arbeitgeber unmittelbar die zur Aufklärung des Kündigungssachverhalts notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführen. Der Arbeitgeber ist gehalten, seine Ermittlungen mit der gebotenen (nicht hektischen) Eile anzustellen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB wird nur dann gehemmt, wenn die Ermittlungen nicht unnötig hinausgezögert werden. Für die Tatsache, dass die gebotene Eile eingehalten wurde, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Werden die Verfehlungen von dem Arbeitnehmer zugegeben, ist eine weitere Sachaufklärung regelmäßig nicht mehr erforderlich.