Rz. 13
Bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug ist wegen der Tatsache, dass die Fahrzeuge überhaupt im Verkehr benutzt werden, die "Betriebsgefahr" stets eine der Ursachen des Unfalls (§ 7 Abs. 1 StVG). Sie ist als Abwägungsfaktor auch bei einem Verschulden des anderen Verkehrsteilnehmers zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 StVG, Gesetzestext im Anhang des Buches abgedruckt, siehe § 4 Rdn 2).
Der Mithaftung aus der Gefährdungshaftung kommt insbesondere auch bei nicht geklärtem Unfallverlauf Bedeutung zu. Kann das Verhalten der Verkehrsteilnehmer nicht geklärt werden, weil z.B. kein Zeuge vorhanden ist, wird das Maß der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge gegeneinander abgewogen und dann über den Haftungsanteil entschieden.
Hinweis
Grundsätzlich muss bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen von der Haftung aus der Betriebsgefahr gem. § 7 Abs. 1 StVG ausgegangen werden.
Zu unterscheiden sind jedoch Unfälle mit Personenschaden und Unfälle mit Sachschaden:
Kommt es zu einem Unfall mit Personenschaden, so kann sich der Halter des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs nach § 7 Abs. 2 StVG nur entlasten, wenn er nachweisen kann, dass der Unfall auf "höhere Gewalt" zurückzuführen ist. Diese Änderung führt zu einer Angleichung an die Regelung im Haftpflichtgesetz. Im Zusammenhang mit Unfällen im Schienenverkehr hatte die Rechtsprechung höhere Gewalt wie folgt definiert:
▪ |
ein betriebsfremdes, |
▪ |
von außen |
▪ |
durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das |
▪ |
nach menschlicher Einsicht und Erfahrung |
▪ |
mit wirtschaftlichen Mitteln auch durch die äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und |
▪ |
auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist. |
Die Voraussetzungen für diese Entlastungsmöglichkeit sind nahezu niemals bei normalen Verkehrsunfällen gegeben. Die Haftung aus der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs oder Anhängers gem. § 7 Abs. 1 StVG greift gegenüber "schwachen Verkehrsteilnehmern, also z.B. Fußgängern und Radfahrern", in den meisten Fällen.
Selbst die Insassen des in einen Unfall verwickelten Kraftfahrzeugs können Ansprüche gegen den Halter des Kraftfahrzeugs aus § 7 StVG geltend machen.
Allerdings gilt auch in diesem Fall der Grundsatz, dass das Verschulden des nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers zu berücksichtigen ist. Dies ergibt sich aus § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB.
Unter Umständen kann die Haftung des Halters aus § 7 StVG vollständig hinter die Haftung des anderen – nicht motorisierten – Verkehrsteilnehmers zurücktreten. So haftet ein Radfahrer zu 100 %, wenn er beim Abbiegen nach links nicht zweimal hinter sich geschaut hatte und mit einem geradeaus fahrenden Pkw zusammengestoßen war. Im entschiedenen Fall des OLG Düsseldorf hatte sich der Radfahrer auch nicht bis zur Mitte der Straße eingeordnet gehabt. Er hätte sich rechtzeitig vor dem Einordnen und dann nochmals unmittelbar vor dem Abbiegen vergewissern müssen, dass der Weg frei ist. Ein Mitverschulden des Autofahrers lag nach der Entscheidung des Gerichts nicht vor.
Bei Unfällen mit nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern muss demnach der Sachverhalt, der zum Unfall führte, exakt analysiert werden. Ggf. kommt neben dem Wegfall der Haftung aus § 7 StVG ein eigener Anspruch des geschädigten Fahrzeughalters wegen des Verschuldens des anderen Verkehrsteilnehmers in Betracht.
Ausnahmen von diesem Grundsatz stellen Unfälle mit Kindern im fließenden Verkehr, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dar (siehe Rdn 5). Unter Umständen hilft die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB). Als Anspruchsgegner kommen außerdem die Erziehungsberechtigten in Betracht, wenn diesen eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorgeworfen werden kann (siehe Rdn 8).
Bei Kindern bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr besteht aber keine Möglichkeit, sich bei Unfällen im fließenden Verkehr zu entlasten. Kinder können also in solchen Fällen immer Ansprüche gegen den Kfz-Halter oder den Halter eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, geltend machen.
Bei Unfällen zwischen mehreren Kraftfahrzeugen muss der Sachverhalt darauf hin eruiert werden, ob ein unabwendbares Ereignis vorliegt. Bei ungeklärtem Sachverhalt kann über § 17 StVG zumindest eine Haftungsteilung erreicht werden.
Achtung!
Bei der Übernahme der Mandate des Fahrers/Halters und zudem der geschädigten Pkw-Insassen muss der Anwalt prüfen, ob ein Interessenkonflikt in Betracht kommen kann. Auch der Fahrzeughalter und ein verletzter Insasse können wegen möglicher Interessenskonflikte – der Kfz-Halter könnte aus § 7 Abs. 1 StVG gegenüber dem Insassen haftbar sein – nicht denselben Anwalt beauftragen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Insasse den Halter des Fahrzeugs in Anspruch nimmt, sondern einen anderen Unfallverursacher.