A. § 287 ZPO: Vieles ist richtig und nur Weniges wirklich falsch
Rz. 1
Wer einen Haushaltsführungsschaden zu beziffern hat oder über einen solchen urteilen soll, hat schon einmal das Tal des § 286 ZPO durchschritten und befindet sich auf dem Berg des § 287 ZPO. Das Beweismaß auf dem Berg ist deutlich gelockerter als im Tal. Auf den Haushaltsführungsschaden übertragen bedeutet das, im Rahmen der Schadensschätzung ist Vieles richtig und nur Weniges wirklich falsch. Bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens gibt es keine alleinige mathematische Wahrheit: der Schaden wird geschätzt und es gibt Spielräume in viele Richtungen. Die wesentlichen Stellschrauben sind der zugrunde zu legende Zeitaufwand im Haushalt vor dem Schadensereignis, die Höhe der MdH (Minderung der Fähigkeit zur Haushaltsführung) und der Stundenverrechnungssatz bei normativer Abrechnung. An allen drei Stellen wird nach § 287 ZPO geschätzt. Das Dilemma liegt darin, dass der Anspruchssteller (bzw. sein Rechtsanwalt) anders schätzt als der Schädiger (bzw. in der Regel sein Versicherer) und – wie kann es anders sein – auch das darüber zu entscheidende Gericht wird möglicherweise zu einem anderen Schätzergebnis kommen. Die gute Nachricht: In der Regel sind alle drei Ergebnisse richtig, es sei denn, ein Beteiligter hat etwas übersehen oder fehlerhaft gerechnet.
Rz. 2
Damit die Schadensschätzung nicht vollständig entgleist, soll dieses Tabellenwerk Anhaltspunkte liefern, um die eigene Berechnung immer wieder mit Durchschnittswerten abzugleichen. Erhebliche Differenzen zwischen dem Zeitaufwand im individuellen Lebenssachverhalt und statistischen Durchschnittswerten dürften die Frage aufwerfen, ob sich nicht doch ein Schätzfehler eingeschlichen hat. Bei alledem gilt es zu beachten, dass Tabellen – wie die hiesigen – niemals eine Anspruchsgrundlage darstellen, sondern bestenfalls der Schadensschätzung nach § 287 ZPO dienlich sein können, wenn der Geschädigte keine oder nur geringe Anknüpfungstatsachen für den Schadensersatzanspruch liefern kann. Tabellen können dem Tatrichter in Ermangelung abweichender konkreter Anhaltspunkte im zu beurteilenden Sachverhalt bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO nur eine Orientierung sein. Dennoch sind sie in der Praxis ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Berechnung des Haushaltsführungsschadens. So kommt es gerade in der außergerichtlichen Regulierungspraxis häufig zu einer Übereinkunft zwischen Geschädigtem und Versicherer, wonach der Haushaltsführungsschaden "schlank" nach entsprechenden Tabellen beziffert werden soll, ohne dass eine umfangreiche Erhebung im Haushalt des Geschädigten erfolgen muss.
B. Warum dieses Tabellenwerk?
Rz. 3
Ca. alle 10 Jahre wird vom Statistischen Bundesamt eine Zeitverwendungserhebung durchgeführt. Insgesamt gab es bislang drei Zeitverwendungserhebungen in den Jahren 1991/1992, 2001/2002 sowie 2012/2013. Die Daten aus der letzten Zeitverwendungserhebung wurden im Jahr 2015 vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Ebenso wie alle Rechtsgebiete nicht statisch sind, verhält es sich auch mit dem Haushaltsführungsschaden. Dieser ist angebunden an gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Veränderungen. Damit ist es zwingend erforderlich, auch in der Schadensberechnung diese Veränderungen aufzugreifen. Um den Spagat zwischen individueller Bezifferung und statistischem Durchschnitt aufgrund der Verwendung alter Durchschnittsdaten nicht zu groß werden zu lassen, besteht das dringende Bedürfnis, aktuelle statistische Referenzwerte zu haben. Es ist wenig sinnvoll, im Jahr 2017 einen Haushaltsführungsschaden im individuellen Haushalt zu berechnen und den Abgleich im Sinne einer Richtigkeitsgewähr mit statistischen Daten vorzunehmen, die zu diesem Zeitpunkt bereits 15 Jahre alt sind.
C. In wessen Auftrag und mit welchem Ziel wurde die Zeitverwendungserhebung 2012/2013 durchgeführt?
Rz. 4
Bevor man statistisches Datenmaterial verwendet, sollte man sich die Frage stellen, in welchem Kontext diese Daten stehen. Wer hat die Erhebung beauftragt? Was war ihre Zielsetzung?
Es war der Wunsch des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, neuere Daten zur Zeitverwendung in privaten Haushalten zur Verfügung zu haben. Die Datenerhebung war erforderlich, um anstehende politische Entscheidungen vorzubereiten, zu begründen und entsprechende Maßnahmen umsetzen zu können. Ferner dient das Datenmaterial als Diskussionsgrundlage für politische Entscheidungsträger und wird für wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich der Zeitverwendungsforschung und der Soziologie im Allgemeinen genutzt. Des Weiteren können anhand zusätzlicher Angaben zum soziodemografischen Kontext der Befragten Zeitverwendungsdaten für vielfältige Analysen genutzt werden.
Bei der Datenerhebung 2012/2013 war das Statistische Bundesamt gezwungen, die von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Union) entwickelten Empfehlungen zur Gestaltung von Zeitverwendungserhebungen zu verwenden. Damit ist sichergestellt, dass eine einheitliche Datengrundlage für internationale Vergleiche zur Verfügung gestellt werden kann. D...