Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 595
Die Problematik der Behandlung von thesaurierten Gewinnen in Unternehmen und deren Auswirkung auf das Unterhaltseinkommen wird offenkundig, wenn bei Personen- und Kapitalgesellschaften die folgenden Überlegungen angestellt werden:
Beispiele
1. Der unterhaltsverpflichtete Mitunternehmer U ist an einer GbR neben anderen neun Gesellschaftern zu 10 % beteiligt. Da die Gesellschaft einen erheblichen Investitionsbedarf hat, ist bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass die Entnahmen der Mitgesellschafter nur 50 % des Gewinnanteils betragen dürfen. Die anderen 50 % sind in eine Rücklage per Gesellschaftsvertrag einzustellen.
2. Der geschäftsführende Gesellschafter einer Ein-Mann-GmbH erwirtschaftet jährlich 100.000 EUR Gewinn und beruft sich ausschließlich zur Ermittlung seines Unterhaltseinkommens auf seine angemessenen Einkünfte als Geschäftsführer. Die Gewinne werden gemäß Satzung zur Hälfte in die Kapitalrücklage eingestellt. Bezüglich der anderen Hälfte wird bei der Feststellung des Jahresabschlusses ebenfalls eine Rückstellung in die Kapitalrücklage beschlossen.
3. Verkürzter Sachverhalt der BGH-Entscheidung:
Gesellschafter M bezieht sich auf seine nichtselbstständigen Einkünfte als Gesellschafter der M-GmbH und verweigert weitere Auskunftserteilung mit Hinweis auf das Geheimhaltungsinteresse der Mitgesellschafter und Gewinne seien nicht ausgeschüttet worden.
Rz. 596
Derartige Fallkonstellationen sind dem familienrechtlich arbeitenden Praktiker vertraut. Die Lösung erfolgt gemäß dem oben dargestellten Konzept.
Die elementare Frage bei der Thesaurierung von Gewinnen lautet:
Wie ist eine rechtliche Gleichbehandlung von Inhabern von Einzelunternehmen und Beteiligten an Personen- und Kapitalgesellschaften herzustellen?
Es geht um die erforderliche paritätische Behandlung von Einzelunternehmen, beherrschenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft und beherrschenden Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften.
Die grundsätzlich vorzunehmende unterhaltsrechtliche Differenzierung geht von der Fragestellung aus, ob ein beherrschender oder nicht beherrschender Gesellschafter vorliegt.
Dies ist keinesfalls im steuerrechtlichen Sinne gemeint; vielmehr geht es um die tatsächliche Frage, wann der Beteiligte am Unternehmen auf die Ausschüttungspolitik Einfluss nehmen kann. Dies bedeutet dann konsequenter Weise auch, dass die Höhe der Beteiligung am Gewinn, die nicht identisch mit der Gewinnbeteiligung sein muss, im Vordergrund steht.
Rz. 597
Hinweis
Bei Personen- und Kapitalgesellschaften sind stets alle Gesellschaftsverträge und deren Abänderungen, sowie Ergebnisverwendungsbeschlüsse im Auskunfts- und Belegverfahren zu verlangen, da die Höhe der Beteiligung wegen des Einflusses auf dir Ausschüttungspolitik nachvollzogen werden muss und zudem Gewinnbeteiligung und Beteiligung am Unternehmen keineswegs identisch sein müssen.
So kann es Minderheitsgesellschafter mit zusätzlichen Stimmrechten für Gewinnverteilung oder Vorzugsdividenden und/oder anderen Sonderrechten, wie z.B. Entscheidung für Investitionstätigkeit, Zustimmung zur Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an Dritte, geben. Dies ist typisch für Rechte, die insbesondere Altgesellschafter in Familienunternehmen sich ausbedingen.
Rz. 598
Diese Gesichtspunkte werden in der praktischen Fallbearbeitung meist nicht beachtet und nicht der notwendigen Kontrolle mit erheblichem Haftungsrisiko des Parteivertreters des Anspruchsberechtigten unterzogen.
Die weitere Differenzierung erfolgt danach, ob es sich um eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft handelt.
a) Thesaurierte Gewinne in der Personengesellschaft
Rz. 599
Auch bei den Personengesellschaften gelten die Regeln der Rücklagenbildung und zur Aufteilung des kalkulatorischen Unternehmerlohnes in Einkommens- und Vermögensseite, wie dieses schon bei der Thesaurierungsproblematik den Einzelunternehmen dargestellt worden ist.
Rz. 600
Hinweis
Bei der Personengesellschaft ist zunächst von der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung auszugehen, also ein Beleg, der aus dem Steuerrecht stammt.
Das Auskunfts- und Belegbegehren muss sich auch auf die Erklärungen und die Bescheide der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung beziehen.
Korrekturen vom steuerlichen Gewinn sind grundsätzlich aber nur dann vorzunehmen, wenn der beherrschende Gesellschafter Einfluss nehmen kann. Beim Minderheitsgesellschafter (vgl. Ausgangsfall 1, siehe Rdn 595 ff.) ist die Höhe der tatsächlichen Ausschüttung als Unterhaltseinkunft heranzuziehen.
Dieses ist wohl uneingeschränkt richtig, da der Minderheitsgesellschafter eine Ausschüttung der Gewinne an ihn, auch wenn sie ihm zustehen, letztlich nicht bewirken kann. Er wird überstimmt. Werden auf diese Weise über Jahre hinweg Einkünfte nicht ausgeschüttet, stellt sich unterhaltsrechtlich insbesondere bei gesteigerter Leistungsverpflic...