Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 760
Wenn Verluste im Wege des Verlustausgleichs (vgl. Rdn 743 ff.) nicht ausgeglichen werden können, besteht für sie die Möglichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG.
Der Verlustabzug wird unterteilt nach Verlustrücktrag und Verlustvortrag.
a) Verlustrücktrag
Rz. 761
Bei einem Verlustrücktrag werden negative Einkünfte, d.h. Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte im laufenden Veranlagungszeitrahmen (2020) nicht ausgeglichen werden,
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bis zu einem Betrag von 10.000.000 EUR, |
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bei zusammen veranlagten Ehepartnern bis zu einem Betrag von 20.000.000 EUR. |
vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraumes vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abgezogen (Höchstbetrag), § 10d Abs. 1 S. 1 EStG. Der Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen VZ wird um die Begünstigungsbeträge nach § 34a Abs. 3 S. 1 EStG gemindert.
Beispiel
Der Gesamtbetrag der Einkünfte des ledigen Unterhaltsschuldners S in 2019 betrug 90.000 EUR.
Die Einkünfte setzen sich zusammen aus Rechtsanwaltstätigkeit in Höhe von 80.000 EUR und Vermietung und Verpachtung in Höhe von 10.000 EUR.
Im Jahr 2020 verdient S als Rechtsanwalt lediglich 40.000 EUR.
Aus Vermietung und Verpachtung haben sich negative Einkünfte in Höhe von – 50.000 EUR ergeben,
sodass der Gesamtbetrag der Einkünfte in 2020 – 10.000 EUR (40.000 EUR – 50.000 EUR) beträgt.
Lösung
S hat seinen Verlust in 2020 in Höhe von – 10.000 EUR auf das Jahr 2019 zurückzutragen.
Da der Höchstbetrag in Höhe von 1.000.000 EUR nicht überschritten wird, beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 80.000 EUR (90.000 EUR Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 – Verlust 2020 in Höhe von – 10.000 EUR).
Wird der Höchstbetrag überschritten, darf nur der Höchstbetrag zurückgetragen werden.
Rz. 762
Die Verrechnung kann ggf. dazu führen, dass im Rücktragsjahr 2019 des vorstehenden Beispiels die sich anschließenden Abzüge in Form von Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen, nicht mehr zu einer Steuerentlastung führen.
Auf Antrag des Steuerpflichtigen wird ganz oder zum Teil vom Verlustrücktrag abgesehen, § 10 Abs. 1 S. 5 EStG. Denkbar sind hier die Fälle, wenn der Grundfreibetrag genutzt wird. Mit dem Antrag ist die Höhe des Verlustrücktrages anzugeben, § 10d Abs. 1 S. 6 EStG.
Rz. 763
Hinweis
Falls der Verlustrücktrag der Höhe nach beschränkt werden soll, ist dies in der Einkommensteuererklärung 2020 anzugeben und ein Antrag auf Beschränkung des Verlustrücktrages einzutragen.
b) Verlustvortrag
Rz. 764
Verluste, die nicht oder nicht in vollem Umfang durch Verlustrücktrag berücksichtigt werden, können nach § 10d Abs. 2 S. 1 EStG
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bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR, |
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bei zusammen veranlagten Ehepartnern bis zu 2 Mio. EUR in den folgenden Veranlagungszeiträumen unbeschränkt abgezogen werden. |
Ferner ist im Wege des Verlustvortrages ein Verlustabzug bis zu 60 % des 1 Mio. EUR (bzw. 2 Mio. EUR bei der Zusammenveranlagung) übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte möglich.
Dadurch werden Verluste im Wege des Verlustvortrages zeitlich gestreckt und gehen nicht verloren.
Rz. 765
Hinweis
Der am Schluss eines Veranlagungszeitraumes verbleibende Verlustvortrag ist nach § 10d Abs. 4 S. 1 EStG gesondert festzustellen. Unter dem verbleibenden Verlustvortrag versteht man die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Absatz 1 abgezogenen sowie die nach Absatz 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag.
Zuständig für die Feststellung ist das für die Besteuerung zuständige Finanzamt. Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 der FGO gelten entsprechend. Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 4 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Die Feststellungsfrist endet nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 der AO ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat, § 10d Abs. 4 S. 2–6 EStG.