Rz. 449

Weder im Handels- noch im Steuerrecht findet sich eine Definition für Rückstellungen.

§ 249 HGB regelt ausschließlich die Zwecke der Rückstellungen. Sie stellen eine passivische Außenverpflichtung des Unternehmens dar; betriebswirtschaftlich sind sie Fremdkapital.

Rückstellungen sind im Gegensatz zu Verbindlichkeiten ihrer genauen Höhe nach nicht bestimmt, was ein gewisses erfolgswirksames Gestaltungspotenzial beinhaltet.

 

Rz. 450

Nach § 249 Abs. 1 HGB sind Rückstellungen zu bilden (Passivierungspflicht) für

ungewisse Verbindlichkeiten,
drohende Verluste aus schwebenden Geschäften,
unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden,
und für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden.

Dies bedeutet, dass Rückstellungen nicht für Schadensausgleich oder gar allgemeines Unternehmerwagnis oder für künftige Ausgaben gebildet werden dürfen.

Nach der Neufassung von § 249 Abs. 1 und der Streichung von Abs. 2 a.F. HGB durch das BilMoG ist die Bildung von Aufwandsrückstellungen für Instandhaltungsmaßnahmen innerhalb von 3 Monaten im folgenden Geschäftsjahr nicht mehr zulässig.

Nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB n.F. sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr und mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Zinssatz der vergangenen 7 Jahre abzuzinsen. Dieser Zinssatz wird von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung vom 18.11.2009 ermittelt und monatlich, insbesondere im Internet, bekannt gegeben.

In der Steuerbilanz darf für Pensionsrückstellungen höchstens der Teilwert der Pensionsverpflichtung angesetzt werden (§ 6a EStG). Bei der Teilwertberechnung ist ein Rechnungszinsfuß von 6 % anzuwenden.

Auch bei der Bildung von Pensionsrückstellungen muss das Maßgeblichkeitsprinzip beachtet werden. Üblicherweise führt ein handelsrechtliches Passivierungswahlrecht zu einem steuerlichen Passivierungsverbot. Da § 6a EStG die Bildung von Pensionsrückstellungen unter den gegebenen Voraussetzungen aber ausdrücklich erlaubt, ist die Rückstellungsbildung in der Steuerbilanz auch für Zusagen möglich, die vor dem 1.1.1987 erteilt wurden, obwohl handelsrechtlich ein Passivierungswahlrecht besteht. Für Zusagen, die nach 31.12.1986 erteilt wurden, folgt aus der handelsrechtlichen Passivierungspflicht auch die Passivierungspflicht in der Steuerbilanz.

 

Rz. 451

Die Rückstellungen werden definiert als

Passivposten für Vermögensminderungen oder Aufwandüberschüsse,
die Aufwand vergangener Rechnungsperioden darstellen,
durch künftige Handlungen der Unternehmung (Zahlungen, Dienstleistungen oder Eigentumsübertragung an Sachen und Rechten) entstehen,
nicht den Bilanzansatz bestimmte Aktivposten korrigieren (Saldierungsverbot) und
sich nicht eindeutig (sonst wäre es Verbindlichkeiten), aber hinreichend genau qualifizieren lassen.
 

Rz. 452

▪ Zeitpunkt der Rückstellungsbildung

Rückstellungen sind zu bilden, wenn

eine rechtliche Verpflichtung gegenüber Dritten besteht, deren Höhe ungewiss ist

oder

die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine rechtliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten zukünftig entsteht

und

mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist.[311]
 

Rz. 453

▪ Bewertung von Rückstellungen

Rückstellungen sind in der Handelsbilanz nach § 253 Abs. 1, S. 2 HGB mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Grundsätzlich ist hier der voraussichtliche Erfüllungsbetrag anzusetzen. Der sich zwangsläufig ergebende Beurteilungsspielraum des Bilanzierenden muss für den Einzelfall objektiviert und von sachverständigen Dritten nachvollzogen werden können. Nach dem weiter geltenden Grundsatz der Vorsicht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) stellt der Bilanzierende den Betrag ein, den das Unternehmen zur Deckung der Aufwendungen voraussichtlich benötigt.[312]

 

Rz. 454

 

Hinweis

Hierfür hat das Unternehmen eine Dokumentation zu erstellen, auf die sich der unterhaltsrechtliche Auskunfts- und Beleganspruch erstreckt.

 

Rz. 455

Nach der vorgenannten Vorschrift kennt das Steuerrecht die folgenden Bewertungsregeln:

Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bei gleichartigen Verpflichtungen aufgrund von Erfahrungen der Vergangenheit (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe a EStG);
Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen nach den Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG);
bewertungsmindernde Berücksichtigung künftiger Vorteile, soweit sie nicht als Forderungen zu aktivieren sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe c EStG);
zeitanteilige Ansammlung von Rückstellungen, für deren Entstehung der laufende Betrieb ursächlich ist, insbesondere bei Kernkraftwerken (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe d EStG);
Abzinsung von Verpflichtungen mit 5,5 %, die in Geld- oder Sachleistungen zu erfüllen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG).

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