Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 719
(Diese Problematik steht im Kontext zur Auswirkung der latenten Ertragsteuer auf die Vermögenswerte und den zuvor hierzu genannten Folgen beim Vermögenswert Grundstück. Nach Steuerrecht ist dieses systematisch keine Fragestellung der Versteuerung von Veräußerungsgeschäften nach §§ 22, 23 EStG, sondern der Gewinnbesteuerung nach § 15, 16 EStG!)
Rz. 720
Zur Verdeutlichung des Themas folgender Beispielfall:
Das Endvermögen des Herrn W besteht aus einer Firma, die einen Wert von 1 Mio. EUR hat (latente Steuern sind noch nicht abgezogen; siehe hierzu weiter unten). Das Endvermögen von Frau W besteht aus 20 Eigentumswohnungen mit ebenfalls einem Wert von 1 Mio. EUR.
Rz. 721
Kogel und Münch weisen nach, dass auch bei dieser Fallgestaltung ein Problem der Steuerlatenz bezüglich der Grundstücke über das Instituts des gewerblichen Grundstückhandels besteht.
Rz. 722
Was ist im Steuerrecht gewerblicher Grundstückshandel (vgl. auch Rdn 188)?
Werden innerhalb von fünf Jahren im Privatvermögen (Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ist stets steuerbar) mehr als drei Objekte (in engem zeitlichem Zusammenhang) angeschafft und veräußert, liegt ein gewerblicher Grundstückshandel vor.
Unter Objekten sind Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen, Mehrfamilienhäuser, Gewerbeimmobilien, Erbbaurechte, unbebaute Grundstücke, Miteigentumsanteile an Immobilien und Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften (Zählobjekte sind die Grundstücke der Gesellschaft, nicht der Beteiligungsanteil) zu verstehen. In die Drei-Objekt-Grenze sind ererbte Grundstücke nicht mit einzubeziehen. Wird Grundbesitz durch vorweggenommene Erbfolge übertragen, kommt jedoch die Drei-Objekt-Grenze zur Anwendung.
Bei einem gewerblichen Grundstückshandel unterliegen die Einnahmen der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer.
Auch die Einbringung von mehr als drei Grundstücken in eine KG, an der der Eigentümer mehrheitlich beteiligt ist, führt zumindest bei Übernahme der Verbindlichkeiten, die auf den Grundstücken lasten, zu einer entgeltlichen Veräußerung wie an einen Dritten.
Die Entgeltlichkeit kann nur dann vermieden werden, wenn eine Einlage in das Gesamthandsvermögen der KG, die gesamthänderisch gebundene Kapitalrücklage, ohne Schuldübernahme der Bankverbindlichkeiten erfolgt (diese führen unweigerlich zur Entgeltlichkeit).
Werden drei oder weniger als drei Objekte angeschafft, modernisiert, veräußert, erzielt der Steuerpflichtige Einnahmen und Ausgaben aus privater Vermögensverwaltung. Die Einnahmen sind dann steuerfrei, wenn die sogenannte 10-Jahresfrist der §§ 22, 23 EStG überschritten wird.
Die Drei-Objekt-Grenze kann auf 10 Jahre ausgedehnt werden, wenn Umstände dafürsprechen, dass zum Zeitpunkt der Errichtung, des Erwerbs, der Modernisierung eine Veräußerungsabsicht vorlag. Bei Ehepartnern gilt die Drei-Objekt-Grenze für jeden Ehepartner. Daher können beide Ehepartner drei Grundstücksobjekte innerhalb der fünf Jahre Frist erwerben und wieder (steuerfrei) veräußern.
Rechtsfolgen:
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Umfang: Erfasst werden nur Objekte, die die Kriterien des Grundstückshandels erfüllen, wobei Vermögensverwaltung mit verbleibenden Objekten möglich bleibt; |
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Beginn: Für die Einkommensteuer ist der in engen zeitlichen Zusammenhang erfolgte Erwerb/Bauantragsstellung des ersten Objekts relevant, für die Gewerbesteuer Verkauf des ersten Objekts (Einlage erfolgt zum Teilwert; Ausnahme § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 2. HS maximal AHK); |
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Gewinnermittlung: nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich Betriebsvermögensvergleich, wobei die Objekte Umlaufvermögen sind, weil sie nicht dauernd dem Unternehmen dienen (keine AfA, ggf. Teilwertabschreibung); |
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Veräußerungsgewinne unterliegen der "laufenden" Einkommensteuer (nicht Veräußerungsgewinnbesteuerung nach §§ 16, 34 EStG, sondern § 15 EStG für Grundstücke im Umlaufvermögen) und der Gewerbesteuer. |
Rz. 723
Bei der Bewertung im Zugewinnausgleichsverfahren wird ein Verkehrswert ermittelt, der eine Veräußerung fingiert. Der BGH verlangt wegen der Gleichbehandlung die Berücksichtigung der latenten Steuer auch als Abzugsposten bei den Grundstücken, wobei die Verhältnisse des Stichtages zugrunde zu legen sind. Dies gilt insbesondere ungeachtet einer bestehenden Veräußerungsabsicht, die eine Steuerpflicht auslösen würde.
Werden also mehr als drei Objekte, wie im Ausgangsfall, unter Berücksichtigung der 10-Jahresfrist in die Zugewinnausgleichbilanz eingestellt, ist wegen der fingierten Veräußerung die daraus resultierende Steuerlast für alle Objekte in Abzug zu bringen.
(Wenn in der Literatur, laut Kogel, andere Autoren die Zehnjahresgrenze des § 23 EStG diskutieren, indem durch entsprechend lange Haltefrist die Steuerverpflichtung zu umgehen wäre, so ist dieses steuerrechtlich unzutreffend. Da es sich nicht um private Veräußerungsgeschäfte im Sinne der §§ 22, 23 EStG handelt, sondern um laufende Gewinne aus dem Umlaufvermögen eines Gewerbebetriebes nach § 15 EStG, kommt es auf diese Haltedauer überhaupt nicht an!...