Nach ständiger BGH-Rspr. und herrschender Literaturmeinung sind die Vermögenspositionen im Anfangs- und Endvermögen der Ehegatten mit dem sog. wirklichen Wert gem. §§ 1376 Abs. 1, 1376 Abs. 2 BGB zu erfassen, welcher gegenstandsbezogen für den jeweiligen Vermögensgegenstand auf dessen Realisationswert unter wertmindernden Abzug der am Stichtag anfallenden Ertragsteuerlast abstellt (BGH v. 2.2.2011 – XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249; BGH v. 9.2.2011 – XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282; BGH v. 8.11.2017 – XII ZR 108/16, zuletzt BGH v. 8.12.2021 – XII ZB 402/20, FamRZ 2022, 425; sowie Koch in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2022, § 1376 Rz. 12 m.w.N.). Eine Veräußerungsabsicht oder eine tatsächliche Veräußerung ist hierbei ausdrücklich unerheblich. Dieses Ergebnis ergibt sich aus dem in § 1378 Abs. 1 BGB normierten Halbteilungsgrundsatz. Demnach stützt sich die Zugewinnausgleichsberechnung auf eine strenge "Nachsteuer-Nettobetrachtung". Der Abzug der Ertragsteuerbelastung anhand der individuellen Besteuerungsverhältnisse einer simulativen Einkommensteuerveranlagung (Mast/Kogel, FamRZ 2020, 401–404) betrifft sämtliche steuerverstrickte Vermögenspositionen wie typischerweise Betriebsvermögen in Gestalt freiberuflicher Praxen, gewerblicher Unternehmen und Gesellschaftsbeteiligungen bei gewerblichen Personen- und Kapitalgesellschaften, aber ausdrücklich auch Vermögensgegenstände des Privatvermögens wie Grundstücke (Kogel, NJW 2011, 3337 [3340]: ggf. sogar gewerblichen Grundstückshandel bei Überschreiten der sog. "Drei-Objekt-Grenze" neben einem privaten Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), Wertpapiere oder Lebensversicherungsansprüche (BGH v. 2.2.2011 – XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249 [270] – Rz. 50; BGH v. 8.12.2021 – XII ZB 402/20, FamRZ 2022, 425 – Rz. 23 mit der bemerkenswerten Aussage in Rz. 22: "Die latente Steuerlast lässt sich daher ohne nennenswerte Schwierigkeiten konkret ermitteln").
Bei der gutachterlichen Unternehmensbewertung ist der Ertragsteuerbelastungseffekt bereits in der Wertfindung IDW S 13 zu inkludieren (IDW S 13, 4.2, Rz. 37, Stand: 6.4.2016) und ggf. sogar ein gegenläufiger abschreibungsbedingter Steuervorteil (sog. tax amortisation benefit – TAB) werterhöhend zu berücksichtigen (IDW S 13, Rz. 38–41; besonders kritisch zur Bedeutung des "tab": Schlimpert/Siewert, FamRZ 2019, 586–588 ["Wahnsinn"]). Die anspruchsvollen und vielschichtigen Ertragsteuerfragen bei der Berechnung der maßgebenden latenten Steuer für Zwecke des § 1376 BGB, nämlich
- die Berücksichtigung antragsgebundener Steuervergünstigungen aus § 16 Abs. 4 EStG (gleitender Freibetrag i.H.v. 45.000 EUR) und
- § 34 Abs. 3 EStG (Tarifermäßigung i.H.v. 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes für einen Veräußerungsgewinn bis zu 5 Mio. EUR, mind. jedoch mit 14 %),
- die Veranlagungssimulation mit Grund- oder Splittingtarif oder
- der Aufteilungsmaßstab einer fiktionalen Veräußerungsgewinnsteuer zwischen den Ehegatten bei Zusammenveranlagung im Todesjahr (vielleicht fiktive Aufteilung der "Steuerschuld" nach §§ 268 ff. AO; zu einer realen Einkommensteuerschuld des Sterbejahres s. BFH v. 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl. II 2012, 790 = ErbStB 2012, 291 [Kirschstein])
sind familienrechtlich weitestgehend ungeklärt (lesenswert hierzu: Mast/Kogel, FamRZ 2020, 401–404; andeutungsweise: Piltz, NJW 2012, 1111–1115 [1114 f.]).