Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 725
Wenn nach der Rechtsprechung des BGH von allen Vermögensgegenständen die individuelle latente Steuerlast zu den seinerzeit geltenden steuerrechtlichen Regeln von allen Vermögenswerten in Abzug zu bringen ist, führt dieses zu einer immensen Erhöhung des Haftungsrisikos des beratenden Rechtsanwalts.
Bei jedem Vermögenswert ist im Einzelnen zu prüfen, ob bei einer fingierten Veräußerung Leistungen zurückzuführen sind oder auf einen Veräußerungserlös Steuern anfallen würden.
Bei Veräußerungsverlusten ist umgekehrt konsequenterweise zu prüfen, wie die daraus resultierende steuerliche Auswirkung durch Verlustverrechnung bzw. Verlustvortrag oder Verlustrücktrag sich auf die Steuerveranlagung auswirkt.
Dabei ist bei Kapitalanlagen die Vielzahl von Anlagemodellen zu berücksichtigen. Kogel nennt dabei unter anderem Schiffsbeteiligungen, Medienfonds, Flugzeug-Leasingfonds bzw. allgemeine steuerliche Abschreibungsmodelle.
Zudem wird zu differenzieren sein, wen der Rechtsanwalt vertritt.
Rz. 726
Hinweis
Es kann sich empfehlen, mit der Einreichung des Scheidungsantrages zu Herbeiführung des Stichtages noch zu warten, wenn auf diese Weise durch Zeitablauf die Steuerpflicht entfallen würde. Wird hingegen der Zugewinnausgleichsverpflichtete vertreten, kann die Steuerlatenz zu einer Reduzierung von Vermögenswerten führen, sodass der Stichtag durch Einreichung des Scheidungsantrages unverzüglich herbeizuführen ist. Dem können natürlich andere Gesichtspunkte entgegenstehen, sodass eine umfangreiche, natürlich schriftliche Belehrung des Mandanten zu erfolgen hat.
Rz. 727
Glücklicherweise stellt sich diese Beratungsfrage nur dann, wenn für die latente Steuerlast irgendwelche Haltefristen und persönliche Steuervoraussetzungen zu beachten sind.
Die persönlichen Steuervoraussetzungen können bei den Ehegatten unterschiedlich sein (Problem auch bei der Rückabwicklung von Schwiegerelternschenkungen!). Wenn die Problematik des gewerblichen Grundstückshandels nur bei einer der Parteien vorliegt, kann zum Beispiel bei einer Bruchteilsgemeinschaft von Eheleuten an einem Grundstück nicht von Wertneutralität ausgegangen werden, wie es bisher von der Rechtsprechung angenommen wurde.
Da in allen Zugewinnausgleichfällen die latente Steuer zu immensen Haftungsrisiken führt, ist fachkundiger Rat steuerrechtlich und familienrechtlich gefordert.
Rz. 728
In der Literatur werden sog. Steuervermeidungsstrategien erörtert.
Die wesentliche Strategie dabei ist die Beachtung der oben dargestellten Steuerrechtsregeln unter besonderer Berücksichtigung von Haltefristen und persönlichen Besteuerungsmerkmalen!
Insbesondere kann die Zugewinnausgleichsproblematik reduziert werden, indem schon beim Erwerb von Vermögensgegenständen derjenige Ehegatte das zum Alleineigentum erhält, was dieser später bei einer etwaigen Auseinandersetzung auch behalten soll. Bei der Gestaltungsberatung kann dabei auch eine vermögensverwaltende GbR erwogen werden, mit der Möglichkeit, dass die Ehegatten die Beteiligung nach der Scheidung an der GbR fortsetzen, oder aber Gesellschaftsanteile auf den anderen Ehegatten bzw. Kinder übertragen, ohne dass eine Veräußerung stattfindet.
Bei allen Gestaltungsüberlegungen ist zur Vermeidung des privaten Veräußerungsgeschäfts die Übertragung an Erfüllung statt und damit Entgeltlichkeit zu vermeiden!
Um Teilentgeltlichkeit zu vermeiden, kann dabei ein eigengenutzter Anteil an einem Grundstück entgeltlich veräußert und der andere Teil unentgeltlich übertragen werden. Für die Aufteilung der teils eigengenutzten, teils vermieteten Gebäude ist dabei eine Aufteilung der Flächen obligatorisch, die nicht in der notariellen Urkunde vorgenommen werden sollte. Besser ist eine Bildung von Wohnungseigentum zur Bildung getrennter Veräußerungsobjekte.
Rz. 729
Als Vermeidungsstrategie werden Regelungen gemäß der §§ 1380, 1382 und 1383 BGB vorgeschlagen.
Im Kontext zu § 1380 BGB wird vorgeschlagen, eine Unentgeltlichkeit der Übertragung durch Vorausempfänge zu vermeiden.
Diese Gestaltungsmöglichkeit ist zumindest steuerrechtlich höchst gefährlich und damit abzulehnen. Die Anrechnung der Leistung auf den Zugewinnausgleich könnte als tauschähnliches Geschäft, das als entgeltlich gilt, oder wenn die Anrechnung greift und das Rechtsgeschäft umgestaltet wird, als antizipierte Leistung an Erfüllung statt gewertet werden. Vorteilhaft bleibt dabei aber, dass durch Übertragung von Vermögensgegenständen die Unterhaltsbedürftigkeit wegfallen kann, ohne dass ein Unterhaltsverzicht vorliegen oder eine Abfindung für den Unterhalts konstruiert werden muss. Unentgeltlich ist nämlich die Überlassung einer Immobilie ohne Eigentumsänderung als Sachleistung im Unterhaltsrecht.
Weiter könnte eine Stundung der Zugewinnausgleichsforderung gemäß § 1382 BGB in Hinblick auf den Ablauf der Haltefrist helfen. Dabei muss zwingend die Übertragung des Eigentums aufgeschoben werden. Gleichwohl bleibt das Risiko, dass eine aufschiebend bedingte Übert...