Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 391
▪ Unterhaltsrelevanz
Um die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu reduzieren, kann der Unterhaltsschuldner/Unternehmer bei langfristiger Fertigung, aber auch durch eine "Produktion auf Halde", und Leistungserstellung den Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung buchen, ohne dass er schon die Gewinnrealisierung ausweist.
Beispiel
Bauunternehmer B hat keine teilfertigen Erzeugnisse in seiner Bilanz 2013 ausgewiesen, obwohl dieses rechtlich nach VOB geboten ist.
Rz. 392
▪ Definition unfertige Erzeugnisse und Leistungen
Zu den unfertigen Erzeugnissen gehören alle Vorräte, durch deren Be- oder Verarbeitung bereits Aufwendungen, insbesondere Materialaufwendungen und Fertigungslöhne, entstanden sind, denen aber die Verkaufsfertigkeit noch fehlt. Die Palette der unfertigen Erzeugnisse kann außerordentlich groß sein, da z.B. Material mit dem ersten Bearbeitungsschritt bereits zu einem unfertigen Erzeugnis wird und bis zum Abschluss des letzten Bearbeitungsschritts ein unfertiges Erzeugnis bleibt. Dazu gehören auch Produkte, die erst durch den Lagerungsprozess Verkaufsfähigkeit erlangen, wie z.B. Käse, bestimmte Weine und Spirituosen. Bei Dienstleistungsunternehmen tritt an die Stelle der unfertigen Erzeugnisse der Begriff der unfertigen Leistungen. Insbesondere bei Großaufträgen, bei Montagen bei Kunden, haben sie besondere Bedeutung.
Es erfolgt eine Einzelbewertung zu Herstellungskosten. Sie stellen Aufwendungen dar, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung, die Erweiterung oder eine wesentliche Verbesserung eines Vermögensgegenstandes entstanden sind (§ 255 Abs. 2 HGB; R 6.3 EStR 2012).
Um einmal, auch für den Familienrechtler, deutlich zu machen, was davon alles umfasst ist oder sein kann, wird die Ermittlung nach dem Steuerrecht dargestellt:
Materialeinzelposten
plus Fertigungseinzelkosten
plus Sonderkosten der Fertigung
plus notwendige Materialgemeinkosten
plus notwendige Fertigungsgemeinkosten
plus Werteverzehr des Anlagevermögens
= Wertuntergrenze nach R 6.3 EStR 2012
plus allgemeine Verwaltungskosten
plus Aufwendungen für soziale Einrichtungen und betriebliche Altersversorgung
plus Fremdkapitalzinsen des Fertigungsbereichs
plus Gewerbesteuer
= Wertobergrenze Steuerrecht
Eine Ableitung des Wertes ist aber auch retrograd vom Verkaufswert wie folgt möglich:
Voraussichtlicher Verkaufserlös
minus bis zum Verkauf erwartete Aufwendungen
minus erwartete Erlösschmälerungen
= vom Verkaufswert abgeleiteter Wert
Rz. 393
Hinweis
In der familienrechtlichen Fallbearbeitung ist die Dokumentation über die Ermittlung der teilfertigen Erzeugnisse/Leistungen nach obiger Struktur im Zuge der Auskunftserteilung zu verlangen.
Diese muss den mengenmäßigen Nachweis erbringen von Fertigungsmaterial, Fertigungslöhnen, Fertigungszeiten bei zu erbringenden Dienstleistungen und Sondereinzelkosten der Fertigung.
Wegen der Erfolgswirksamkeit dieser Positionen besteht auch ein unterhaltsrechtlicher Auskunfts- und Beleganspruch.
Soweit das bilanzierende Unternehmen seine Leistung erbracht hat, was selbstverständlich auch für selbstständig bewertbare Teilleistungen gilt, hat das Unternehmen eine erfolgswirksame Forderungsverbuchung vorzunehmen.
Dies wird aus unterhaltsrechtlichen aber auch aus steuerlichen Gesichtspunkten "gern unterlassen", weil diese Aktivierungspflicht noch nicht unmittelbar mit Liquidität aus einer Gegenleistung korrespondiert.
Derartige Positionen werden deshalb auch bei der steuerlichen Betriebsprüfung stets einer besonderen Überprüfung unterzogen.
Auf die Vorlage des Betriebsprüfungsberichts besteht deshalb auch konsequenterweise ebenfalls ein unterhaltsrechtlicher Auskunfts- und Beleganspruch.
Rz. 394
Bei langfristigen Fertigungen und natürlich auch Produktionen auf Halde kommt der Bestimmung des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung (im unterhaltsrechtlichen Betrachtungszeitraum!) besonders große Bedeutung zu. Das Bilanzrecht hat hierzu eine einheitliche Betrachtung bisher nicht gefunden. Die herrschende Meinung ist nach wie vor der Auffassung, dass ein Gewinn durch starre Einhaltung des Realisationsprinzips erst mit der endgültigen Abnahme des Gesamtprojekts oder Gewerks eines endgültig abrechenbaren Teilprojekts ausgewiesen werden darf. Zunehmend an Bedeutung gewinnt die von der internationalen Rechnungslegung beeinflusste Auffassung, wonach eine Teilgewinnrealisierung gemäß dem Projektfortschritt bereits während der Herstellungsphase zulässig ist.