Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
(1) Familienrechtliche Anspruchsgrundlage für die Zustimmungsverpflichtung
Rz. 795
Die Anspruchsgrundlage bildet § 1353 BGB i.V.m. § 242 BGB.
Die Verpflichtung ergibt sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aus der Verpflichtung zur nachehelichen Solidarität als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des Unterhaltsverhältnisses.
Danach trifft den Unterhaltsberechtigten eine Obliegenheit zur Mitwirkung an der steuerlichen Geltendmachung des Realsplittings, wenn der Unterhaltsverpflichtete sich bereiterklärt, die steuerlichen Nachteile auszugleichen, die dem Unterhaltsberechtigten infolge der Besteuerung der Unterhaltsbeträge nach § 22 Nr. 1a EStG entstehen.
Ein Ehepartner ist auch dann zur Abgabe der Zustimmungserklärung verpflichtet, wenn zweifelhaft ist, ob steuerlich geltend gemachte Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach als Unterhaltsleistung i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG anerkannt werden. Er kann allerdings die Zurverfügungstellung der "Anlage U" verweigern. Im Trennungsjahr ist das sog. begrenzte Realsplitting nicht möglich. Es besteht insoweit die Möglichkeit der steuerlichen Zusammenveranlagung.
(2) Voraussetzungen für die Zustimmungsverpflichtung
(a) Nachteilsausgleich
Rz. 796
Die Zustimmung setzt voraus, dass dem Zustimmenden keine Nachteile entstehen bzw. alle steuerlichen, sozialrechtlichen und sonstigen wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen werden.
Rz. 797
▪ Steuerliche Nachteile
Steuerliche Nachteile treten bereits dann auf, wenn eine Unterhaltsleistung das steuerliche Existenzminimum nach § 32a EStG überschreitet. Die Höhe des Existenzminimums wird jährlich der allgemeinen Preissituation entsprechend angepasst. Grundlage für die Anpassung ist der alle zwei Jahre erscheinende Existenzminimumbericht. Wie dem von der Bundesregierung am 2.11.2022 beschlossenen Bericht hervorgeht, bestand beim Grundfreibetrag und beim Kinderfreibetrag ab 2023 ein Erhöhungsbedarf wie folgt:
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Aktualisierung des Einkommensteuertarifs für die Jahre 2023 und 2024 durch den Ausgleich der Effekte der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs und Anhebung des Grundfreibetrags entsprechend den Ergebnissen des 14. Existenzminimumberichts und des 5. Steuerprogressionsberichts von derzeit 10.347 EUR auf 10.908 EUR ab 2023 und auf 11.604 EUR ab 2024. |
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Anhebung des Unterhaltshöchstbetrags, der an die Höhe des Grundfreibetrags angelehnt ist. |
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Anhebung des Kinderfreibetrags entsprechend dem Ergebnis des 14. Existenzminimumberichts für das Jahr 2022 von 2.730 EUR auf 2.810 EUR, für 2023 auf 3.012 EUR und für 2024 auf 3.192 EUR. |
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Anhebung des Kindergelds auf einheitlich 250 EUR pro Monat pro Kind zum 1.1.2023. |
Aufgrund des Korrespondenzprinzips muss der Unterhaltsgläubiger die tatsächlich erhaltenen Unterhaltsleistungen versteuern. Es kommt nicht darauf an, ob der Unterhaltsgläubiger in seiner Steuererklärung einen niedrigeren Betrag angibt, weil auf die tatsächliche Leistung abzustellen ist.
Soweit der Unterhalt mit Zustimmung des Empfängers als Sonderausgabe abgezogen wird, entstehen folglich in gleicher Höhe beim Empfänger der Unterhaltsleistungen sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG. Hieraus folgt, dass er zur Einkommensteuer veranlagt wird und den Unterhaltsbetrag unter Beifügung der Anlage SO zu erklären hat. Ob und in welcher Höhe sich daraus eine Steuerbelastung oder Steuermehrbelastung ergibt, die der Unterhaltsschuldner als Nachteil zu erstatten hat, hängt von seinen individuellen steuerlichen Daten, insbesondere von seinen anderen Einkünften ab.
Ob die vom Unterhaltsschuldner dem Unterhaltsgläubiger zu erstattende Einkommensteuer selbst unter den Tatbestand des § 22 Nr. 1a EStG, und damit zu den Unterhaltsleistungen, zu subsumieren ist, ist für den Fall der vorherigen Vereinbarung zu bejahen.
Der Nachteilsausgleich bei der Annahme eines fiktiven Einkommens berechnet sich nach der konkreten Steuerpflicht und den tatsächlich entstandenen Steuernachteilen des Unterhaltsberechtigten. Bei der Berechnung des monatlichen Unterhaltsbetrags wird der Nachteilsausgleich nicht zugeschlagen.
Rz. 798
▪ Steuervorauszahlungen
Steuervorauszahlungen werden nur dann als Nachteil angesehen, wenn bereits hieraus finanzielle Nachteile erwachsen, da sich diese generell erst mit der endgültigen Steuerfestsetzung verwirklichen. Nachteile wegen Einkommensteuervorauszahlungen verwirklichen sich generell erst mit der endgültigen Steuerfestsetzung. Steuervorauszahlungen fallen aber bereits dann unter die steuerlichen Nachteile, wenn schon hieraus finanzielle Nachteile erwachsen, bereits in der Festsetzung von Steuervorauszahlungen gegenwärtige Nachteile für den Unterhaltsgläubiger vorliegen und wenn mit der Durchführung des Realsplittings im fraglichen Jahr gerechnet werden kann, für das Vorauszahlungen erhoben werden. Vorauszahlungen sind aber nur dann zu erstatten, wenn sie vom Unterhaltsberechtigten in einer Höhe zu entricht...