Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 583
Häufig berufen sich Allein- oder Mitgesellschafter darauf, die Gesellschaft habe Gewinne nicht ausgeschüttet. Dabei beziehen sie sich allenfalls auf ihre auf die Angemessenheit zu Überprüfenden Geschäftsführergehälter.
Thesaurierung von Gewinnen ist aber auch ein unterhaltsrechtliches Problem bei Einzelunternehmen!
Rz. 584
Hinweis
Thesaurierte Gewinne bei Körperschaften verbleiben naturgemäß im Unternehmen und führen nicht zum Zufluss beim Steuerpflichtigen, so dass sie aus den Einkommensteuererklärungen nicht erkennbar sind. Dies gilt insbesondere bei den Kapitaleinkünften, die nicht zwingend wegen der Regelung der Abgeltungssteuer erklärt werden müssen. Erkennbar sind thesaurierte Gewinne an den Eigenkapitalkonten und insbesondere an den bei Kapitalgesellschaften obligatorischen Ergebnisverwendungsbeschlüssen, die bei Personengesellschaften fakultativ sind. (Unterhaltsrechtlicher Auskunfts- und Beleganspruch).
Rz. 585
Zu dieser Problematik der thesaurierten Gewinne gibt es in Literatur und Rechtsprechung nur wenige Fundstellen.
Die Literatur differenziert zunächst zwischen beherrschenden und nicht beherrschenden Gesellschaftern als unterhaltsrechtlichen Ansatz und orientiert sich dabei am Steuerrecht, das ebenfalls eine Differenzierung zwischen beherrschenden und nicht beherrschenden Gesellschaftern kennt. Danach gilt der Gesellschafter unterhaltsrechtlich dann als beherrschend, wenn ihm die absolute Mehrheit der Stimmrechte bei der Gesellschaft zusteht, was in der Regel eine Beteiligung von mehr als 50 % voraussetzt. Eine weitere Differenzierung erfolgt dann nach der Gesellschaftsform zwischen Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Körperschaften.
Die Literatur bezieht sich in ihrem Lösungsansatz auf eine Entscheidung des BGH, wonach von einem Gesellschaftergeschäftsführer die Vorlage von Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen der GmbH im Rahmen des Beleganspruchs nach § 1605 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt werden kann. Dabei ist er nicht berechtigt, sich auf die Belange der GmbH oder anderer Unternehmensbeteiligter (Stakeholder und Shareholder) zu berufen.
Rz. 586
Hinweis
Das Interesse der Unterhaltsgläubiger überwiegt dem Interesse an Geheimhaltung der Unternehmensinhaber was sich auch aus Analogie zu § 385 Nr. 3 ZPO ergibt, der eine Ausnahme vom Zeugnisverweigerungsrecht über Tatsachen regelt, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen.
Rz. 587
Der BGH hat nicht explizit zur Frage Stellung genommen, ob die thesaurierten Gewinne dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zuzurechnen sind, insbesondere zeigt die Entscheidung nicht auf, in welchem Umfang der Unterhaltsverpflichtete an der Gesellschaft beteiligt war.
Der BGH macht aber deutlich, dass eine Beschränkung auf die tatsächlich ausgeschütteten Unternehmensgewinne unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht möglich ist. Der Auskunftsanspruch kann nämlich nur dann gegeben sein, wenn auch auf thesaurierte Gewinne grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch besteht. Anderenfalls reichte es aus, Gewinnverwendungsbeschlüsse und Einkommensteuererklärungen vorzulegen.
Die neuere Rechtsprechung, die sich ausdrücklich mit den thesaurierten Gewinnen befasst, nimmt eine Differenzierung nach Höhe der Beteiligung an der Gesellschaft und per Interessenabwägung vor:
Zitat
"Eine fiktive Zurechnung von nicht ausgeschütteten Gewinnen aus dem Betrieb des Unternehmens zulasten des Mehrheitsgesellschafters setzt voraus, dass dieser seine Obliegenheit, zumutbare Gewinne zu realisieren, in vorwerfbarer Weise verletzt. Vorwerfbarkeit liegt nur dann vor, wenn die Grenzen der unternehmerischen Freiheit überschritten werden, die dem Unterhaltsgläubiger, unter Berücksichtigung der Belange der Mitgesellschafter und der Interessen des unterhaltsberechtigten auf Sicherung seines Unterhalts, nicht zumutbar ist."
Rz. 588
Hinweis
Damit wird sich ausdrücklich zur unternehmerischen Freiheit im Familienrecht bekannt. Grundsätzlich ist damit aber eine Zurechnung thesaurierte Gewinne zu den Unterhaltseinkünften möglich, es sei denn, es besteht ein berechtigtes und dargelegtes Interesse daran, Gewinne nicht auszuschütten. Insoweit findet eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmens und des Unterhaltsberechtigten statt. Damit finden (wieder einmal) betriebswirtschaftliche Kriterien Eingang ins Familienrecht!
Rz. 589
Wird eine familienrechtliche Hinzurechnung von thesaurierten Gewinnen vorgenommen, führte das bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu einer höheren Steuerbelastung. Für diesen Fall ist eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen.
Auch ist zu beachten, dass beim Ehegattenunterhalt die Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse heranzuziehen ist.