A. Allgemeines
Rz. 1
Fast jeder Anwalt und jede Anwältin kennt das: Der Mandant sitzt aufgeregt auf dem Stuhl, erzählt einem Wasserfall gleich von seinen Sorgen und bittet: "Machen Sie was". Nachdem mühsam aus dem Meer der – meist weniger relevanten – Informationen die rechtlich wichtigen ermittelt werden konnten, stürzt man sich in die juristische Bearbeitung des Falles. Und oft stellt sich erst nach Abschluss des Falles die Frage: Was kann ich eigentlich dafür abrechnen? Warum weigert sich der Gegner, die in Ansatz gebrachte Vergütung in voller Höhe zu zahlen?
Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind auf dem Weg zur korrekten Abrechnung manchmal schon in den Brunnen gefallen, denn da liegt eine der Hauptursachen zahlreicher Abrechnungsprobleme. Um viele Fehlerquellen und Missverständnisse bei der Abrechnung der Vergütung gegenüber dem Mandanten und Dritten zu vermeiden, sollte man zwei Dinge im Hinterkopf haben:
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die grundlegende Bedeutung des Mandantenauftrags und |
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den Unterschied zwischen Anfall der Gebühren nach dem RVG sowie der Erstattung. |
B. A und O der Abrechnung: Der Auftrag
Rz. 2
Um den wichtigsten Aspekt und die Lösung vieler Rätsel bereits vorwegzunehmen: Die Grundlage jeglicher Gebührenberechnung ist der Mandantenauftrag. Dieser Punkt mag vielleicht zunächst nach einer Selbstverständlichkeit klingen, in der Praxis zeigt sich aber, dass die Unklarheit über den Auftrag eine der häufigsten Ursachen für Probleme bei der Gebührenabrechnung oder von Konflikten mit dem Mandanten ist.
Rz. 3
Häufig schildert der Mandant sein Problem, der Anwalt stürzt sich in die teilweise sehr umfangreiche Arbeit und am Ende, nach mehr oder weniger erfolgreichem Abschluss der Angelegenheit, stellt sich für ihn oder oft auch die Rechtsanwaltsfachangestellte die Frage, was die ganze Arbeit nun eigentlich in die Kasse gebracht hat. Die Antwort gestaltet sich meist dann besonders schwierig, wenn es sich bei dem Gegenstand der Tätigkeit beispielsweise um eine unbezifferte Forderung handelte, die begehrte Auskunft ergab, dass dem Mandanten nur geringe bzw. gar keine Ansprüche zustehen, oder sich die Angelegenheit über längere Zeit hinzog und weitere Tätigkeiten oder ein weiterer Auftraggeber hinzukamen. Treten dann Abrechnungsschwierigkeiten auf und fragt man auf der Suche nach der Lösung des Problems nach dem erteilten Auftrag, erhält man häufig als Antwort eine Zusammenfassung der zahlreichen ausgeübten Tätigkeiten. Auch bei Nachfrage bereitet es oft Schwierigkeiten, mit wenigen Worten den Auftrag des Mandanten zusammenzufassen.
Rz. 4
Dies ist jedoch umso entscheidender, als nach dem RVG genau dieselbe Tätigkeit je nach konkret erteiltem Auftrag vollkommen verschiedene Gebühren auslösen kann. So kämen beispielsweise bei ein und demselben Schreiben eine Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 oder 2301 VV RVG in Betracht, ggf. aber auch eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 3101 i.V.m. 3100 VV RVG. Das Telefonat mit der Gegenseite nach bisher erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung einer Forderung könnte noch durch die Geschäftsgebühr mit abgegolten sein, vielleicht aber auch eine Terminsgebühr ausgelöst haben und bei Vertretung mehrerer Mandanten stellt sich die Frage, ob jeweils gesonderte Gebühren abgerechnet werden können oder diese nur einmal anfallen mit entsprechender Erhöhung wegen mehrerer Auftraggeber. Einen erheblichen Unterschied für den Anwalt macht es auch, ob sich der Wert des geltend gemachten Auskunfts- und zunächst unbezifferten Leistungsanspruchs auf 500 EUR oder 5.000 EUR beläuft. Ohne Kenntnis des Auftrags des Mandanten lassen sich diese Fragen jedoch kaum beantworten.
C. Anfall der Gebühren und Erstattung
Rz. 5
Eine weitere Ursache zahlreicher Streitigkeiten liegt darin, dass nicht hinreichend zwischen zwei verschiedenen Aspekten der Abrechnung unterschieden wird: dem Anfall der Gebühren nach dem RVG aufgrund des Mandantenauftrags und der Erstattungspflicht durch Dritte, sei es der Gegner, die Staatskasse oder eine Rechtsschutzversicherung. Nicht immer ist der Dritte auch verpflichtet, alle nach dem RVG angefallenen Gebühren zu erstatten. Man sollte daher immer im Hinterkopf haben, dass im Rahmen der Erstattung – mit Ausnahme von Prozesskosten- und Beratungshilfe – der Anwalt keinen eigenen Anspruch, nämlich seine Gebühren, geltend macht, sondern einen Schadensersatzanspruch des Mandanten.
Rz. 6
Um Missverständnissen im Rahmen der Kommunikation wegen einer Gebührenabrechnung vorzubeugen, sollte man sich daher immer vor Augen halten, wer gerade Adressat der Abrechnung ist und ob es tatsächlich um die Frage des Anfalls der Vergütung oder doch eher um deren Erstattungsfähigkeit geht. Zur Vermeidung von Konflikten mit dem Mandanten sollte diesem bereits zu Beginn des Mandats verdeutlicht werden, dass in aller Regel er der Kostenschuldner für die anfallende Vergütung ist, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe die Gebühren durch einen Dritten zu tragen sind oder gezahlt werden.
Rz. 7
Die Erstattung der angefallenen Vergütung nach dem RVG durch den Gegner setzt einen materiell-rechtlichen oder prozessualen Ersatzansp...