Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
A. Testamentsvollstreckung in der öffentlichen Wahrnehmung
Rz. 1
Die Enzyklopädie von Brockhaus aus dem Jahr 1995 beschreibt den Testamentsvollstrecker mit nur einem Satz als "vom Erblasser testamentarisch eingesetzte Person, die für die Erfüllung der im Testament festgelegten Bestimmungen zu sorgen hat". Mit anderen Worten: Der Testamentsvollstrecker sorgt dafür, dass der Wille des Erblassers erfüllt wird. Er ist in der Lage, als verlängerter Arm des Erblassers Streit unter der Erbengemeinschaft zu verhindern und jedem Beteiligten zu seinem Recht zu verhelfen. Dafür wurde er vom Gesetzgeber mit einer Vielzahl an Befugnissen ausgestattet. Die geschäftsmäßige Testamentsvollstreckung hat sich von der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.11.2004 bis hin zum Rechtdienstleistungsgesetz "rasant entwickelt". Qualitätsoffensiven der verschiedenen Erbrechtsorganisationen in diesem Bereich haben an Bedeutung gewonnen. Auch die deutlich gestiegene Zahl an Fachveröffentlichungen zeigt die steigende Bedeutung auf, welche die Testamentsvollstreckung durch die vermögensverwaltenden Berufsgruppen in den letzten etwa zwanzig Jahren genommen hat.
Rz. 2
Als richtungweisend für die professionelle Testamentsvollstreckung haben sich die berufsständischen Vertreter der Steuerberater erwiesen. Am 9.4.2008 wurde die Einigung zwischen der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband über die Einführung und Verwendung der Fachberaterbezeichnung "Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge" veröffentlicht. Mit Inkrafttreten zum 1.1.2011 ging der gefundene Konsens in die neu gefasste Berufsordnung der Steuerberater (BOSt) ein.
Nach der im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes bedenklichen Zulassung der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch jedermann ohne Qualifizierungsvoraussetzung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz wurde ein weiteres allgemein wahrnehmbares Korrektiv geschaffen, das dem mündigen Verbraucher eine sachgerechte Auswahl "seines" Testamentsvollstreckers ermöglicht, die Zertifizierung von Testamentsvollstreckern.
Rz. 3
Nach empirischen Untersuchungen liegt die Anzahl der Testamente, in denen Testamentsvollstreckung angeordnet wird, zwischen 5,9 % und 6,92 %. Dabei wird tendenziell in eigenhändigen Verfügungen häufiger Testamentsvollstreckung angeordnet als in notariellen. Berücksichtigt man das Verfügungsverhalten von Erblassern, so ist festzustellen, dass in gemeinschaftlichen Testamenten deutlich weniger Testamentsvollstreckungen angeordnet werden als bei allein Verfügenden. Bei Kinderlosen liegt die Quote der Testamentsvollstreckungen fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Auch ist feststellbar, dass mit zunehmendem Alter die Vorzüge einer Testamentsvollstreckung eher wahrgenommen werden, ebenso mit zunehmendem Vermögen. Hier steigt die Quote der angeordneten Testamentsvollstreckungen auf über 30 %. Zudem ist zu beobachten, dass bei werthaltigen Nachlässen zu einem sehr hohen Anteil (85,7 %) Fachleute als Testamentsvollstrecker bestimmt werden. Die Fälle, dass dem Nachlassgericht die Auswahl des Testamentsvollstreckers überlassen wird, sind hingegen eher gering.
B. Testamentsvollstreckung als modernes Mittel der Vermögensnachfolgegestaltung
Rz. 4
Die Antwort auf die Frage, warum ein erbrechtliches Gestaltungsmittel, das in Deutschland eine sehr lange Tradition hat und in seinem Ursprung auf den germanischen Rechtskreis zurückgeht, in der (fach-) öffentlichen Wahrnehmung der letzten beiden Jahrzehnte eine so zunehmende Bedeutung erlangt, liegt auf der Hand. Die Testamentsvollstreckung ist als ein besonderes erbrechtliches Institut ganz speziell in der Lage, die zunehmend komplexer werdenden Nachlassstrukturen und Familienverhältnisse abzuwickeln, wie sie sich in der heutigen Le...