Rz. 156
Wohnt der Drittschuldner im Ausland oder hat er seinen Sitz dort, muss das Vollstreckungsgericht den Pfändungsbeschluss in jedem Fall erlassen. Der Erlass darf nicht deshalb verweigert werden, weil die Zustellung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Pfändung an den Drittschuldner im Ausland regelmäßig nicht erfolgen kann. Zu unterscheiden ist der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, für den das Vollstreckungsgericht sachlich und örtlich zuständig ist, von der Frage der Zustellung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Pfändung. Ersteres kann das deutsche Vollstreckungsgericht vornehmen, ohne in die territoriale Hoheitsgewalt eines fremden Staates einzugreifen; der Pfändungsbeschluss allein lässt die Rechtsstellung des ausländischen Drittschuldners noch unberührt. Die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den ausländischen Drittschuldner erfolgt sodann im Parteibetrieb, § 829 Abs. 2, §§ 191 ff. ZPO unter, falls gewünscht, Zuhilfenahme der deutschen Justizverwaltung, die das Zustellungsgesuch an den ausländischen Staat weiterleitet. Unabhängig davon ist die Frage, ob der ausländische Staat die Rechtswirkungen der Pfändung anerkennt. Diese Problematik ist jedoch für das deutsche Vollstreckungsgericht im Rahmen der Beurteilung des Erlassgesuches hinsichtlich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht von Relevanz. Die ausländische Justizverwaltung verweigert regelmäßig die erforderliche Weitergabe eines entsprechenden Zustellungsersuchens nach § 183 ZPO. Nach den Grundsätzen des Völkerrechts müssen sich die ausländischen Staaten verpflichten, bei der Zwangsvollstreckung mitzuwirken.
Rz. 157
Der Gläubiger ist daher darauf angewiesen, dass auf Grundlage der EuGVVO sein (inländischer) Vollstreckungstitel in einem gesonderten Verfahren für vollstreckbar erklärt und dann gemäß den jeweiligen Vorschriften des Vollstreckungsstaates vollstreckt werden kann.
Rz. 158
Weiterhin greift möglicherweise die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO). Hiernach soll die Zwangsvollstreckung innerhalb der EU beschleunigt und vereinfacht werden. Die VO trat am 21.1.2005 in Kraft, sie findet ab dem 21.10.2005 Anwendung. Der deutsche Gesetzgeber hat auf die Vorgaben der EuVTVO zudem mit einer gesonderten Umsetzung in der ZPO reagiert. So wurden die §§ 1079 ff. in die ZPO neu eingeführt und darin Teile des Verfahrens zur Ausstellung der Bescheinigung in Anlehnung an die EuVTVO ausführlicher bestimmt.
Rz. 159
Weiter zu beachten ist auch das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30.10.2008 (BGBl I 2008, 2122).
Aus dem Gesetzentwurf:
Die Europäische Gemeinschaft hat zur Verwirklichung ihres Ziels, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen auf der Grundlage der Artikel 61 Buchstabe c und 65 des EG-Vertrages drei Verordnungen erlassen:
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Die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl EU Nr. L 399, 1) führt zum 12.12.2008 alternativ zum deutschen Mahnverfahren ein vergleichbares europäisches Verfahren ein, das in grenzüberschreitenden Fällen die rasche und kostengünstige Beitreibung unbestrittener Forderungen im EU-Raum ermöglicht. Mit Ausnahme einiger Informationspflichten, die ab dem 12.6.2008 zu beachten sind, gelten die Bestimmungen der Verordnung seit dem 12.12.2008. |
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Die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl EU Nr. L 199, 1) wurde am 13.6.2007 erlassen und ist am 1.8.2007 in Kraft getreten. Die Verordnung sieht ein kontradiktorisches Verfahren für grenzüberschreitende Forderungen bis einschließlich 2.000,00 EUR vor. Die Bestimmungen der Verordnung gelten, wiederum mit Ausnahme einiger Informationspflichten, seit dem 1.1.2009. |
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Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (ABl EU Nr. L 324, 79) ersetzt die bisher geltende Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates. Sie trifft in Teilbereichen Neuregelungen, mit der grenzüberschreitende Zustellungen weiter beschleunigt und die Rechtssicherheit, etwa bei den Zustellungskosten und den Belehrungspflichten, erhöht wird. Die Verordnung gilt, wiederum mit Ausnahme von Informationspflichten, seit dem 13.11.2008. |
Weiter zu beachten ist auch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkenn...