Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 288
Die Vollstreckung ist für den Rechtsanwalt, das Inkassounternehmen oder den sonst vom Gläubiger Beauftragten von zwei widerstreitenden Polen beherrscht. Auf der einen Seite ist der Gläubiger schon nach kurzer Zeit mit dem Erfolg der Titulierung seiner Forderung nicht (mehr) zufrieden. Sein wahres Interesse ist allein auf die Befriedigung der Forderung gerichtet, sodass er den Bevollmächtigten drängt, zu einem Ergebnis zu kommen.
Rz. 289
Hinweis
Trägt der Bevollmächtigte dem nicht Rechnung und betreibt die beauftragte Zwangsvollstreckung nicht ohne schuldhaftes Zögern und entsteht dadurch – etwa weil der Schuldner Vermögen außerhalb der Anfechtungsfristen hat auf Dritte übertragen können oder ein anderer Gläubiger früher vollstreckt hat, § 804 Abs. 3 ZPO – ein Schaden, so kann sich dies auch als Haftungsfall darstellen. Allerdings richtet auch der unzufriedene Mandant schon einen Schaden an: Er kommt nicht wieder!
Rz. 290
Auf der anderen Seite steht der Schuldner, dessen Interesse – auch bei einer bestehenden, anerkannten oder gar titulierten Forderung – darauf gerichtet ist, den Forderungsausgleich, d.h. die Befriedigung des Gläubigers möglichst lange zu verzögern.
Rz. 291
Beiden Polen kann der Bevollmächtigte durch eine konsequente Fristsetzung und eine daran geknüpfte effektive Wiedervorlage mit einer unmittelbaren Bearbeitung der Sache Rechnung tragen. Der Gläubiger sieht auf diese Weise, dass seinen Belangen nachgegangen wird und insbesondere Rangverluste nach § 804 Abs. 3 ZPO vermieden werden. Der Schuldner sieht, dass er schnell in Verzug gerät und damit unmittelbar auch Verzugszinsen – i.d.R. zumindest in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz – fällig werden. Vor allem lehrt aber die Praxis, dass Schuldner, die ständig unter "Druck" gesetzt werden und bei denen unmittelbar Maßnahmen auf Fristversäumnisse folgen, auf die betreffenden Gläubiger zugehen und gerade mit ihnen eine Lösung suchen, die die Druckmomente vermeiden. Hieraus ergibt sich ein rein faktischer Vorteil gegenüber anderen Gläubigern, die auf diese Weise "benachteiligt" werden. Wenn in Diskussionsbeiträgen immer wieder der Hinweis erfolgt, man wisse nicht, was das bringen solle, sich immer wieder zu melden und zu schreiben, so kann darauf nur erwidert werden, dass eine hinreichende Erfahrung mit den Mechanismen der Forderungsbeitreibung fehlt und auch die Gedankenwelt und Reaktionsweisen von Schuldnern zu wenig bekannt sind. Denjenigen, die in dieser Weise verfahren, gibt der Erfolg Recht. Bei niedrigen Kosten – gerade auch für den Schuldner – kommt es zu vielen gütlichen Erledigungen, ohne dass die Forderung tituliert und Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden müssen.
Rz. 292
Hinweis
Zutreffend wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Wiedervorlage nicht nur als Frist notiert werden sollte, sondern zugleich mit der Anweisung notiert wird, was zu diesem Zeitpunkt seitens des Schuldners an Leistung erbracht sein soll und welche Maßnahmen zu treffen sind, wenn dies nicht der Fall ist. Die Notierung einer solchen qualifizierten Wiedervorlage führt zu einer rationellen Bearbeitung von Vollstreckungsmandaten, weil eine erneute Aufarbeitung des Sachstandes so entbehrlich wird. Auch ist gesichert, dass der Vertreter im Vertretungsfall die Sache nicht nur "schiebt", sondern selbst die aufgeführten Maßnahmen ohne einen unwirtschaftlichen Aufwand veranlassen kann. Der Druck auf den Schuldner bleibt so gleichmäßig erhalten.
Rz. 293
Tipp
Eine mögliche Reaktionsform kann dabei immer auch das bereits vorgestellte Telefoninkasso oder die persönliche Ansprache des Schuldners im Außendienst sein. Der Mix der richtigen Ansprachen zeigt meist Wirkung.
Rz. 294
Hinweis
Schon im Forderungsinkasso, insbesondere auch der Rechnungsstellung und der Forderungsüberwachung sollte der Schuldner von der Zielstrebigkeit des Gläubigers Kenntnis nehmen. Deshalb beachten Sie einige wesentliche Aspekte:
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Sehen Sie in den Vertragsbedingungen schon als Gläubiger Mahnspesen für notwendige Mahnschreiben vor und weisen Sie ggf. schon in den AGB darauf hin, dass nach zwei kaufmännischen Mahnungen ein Rechtsdienstleister beauftragt wird. |
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Berechnen Sie zumindest die gesetzlich erlaubten Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB). |
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Überprüfen Sie Ihre Rechnungsformulare auf korrekte Zahlungsbedingungen, insbesondere soweit diese sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen befinden. |
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Mahnen Sie unmittelbar nach dem Fälligkeitszeitpunkt. Dieser sollte grundsätzlich mit einem konkreten Kalendertag bestimmt sein. Nach dem durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen eingeführten und später noch modifizierten § 286 Abs. 3 BGB besteht ein Verzug von Geldforderungen spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung. Schuldner, die Verbraucher sind, müssen hierauf allerdings besonders hingewiesen werden. Für Nicht-Verbraucher gilt: Sie kommen spät... |