Rz. 68
Im Nachlassinsolvenzverfahren fragt sich, welcher Rang dem Anspruch des Sozialhilfeträgers aus § 102 SGB XII zukommt. Die Frage des Vor- und Nachrangs von Ansprüchen von Nachlassgläubigern ist im eigentlichen Sinne keine Frage der Wertermittlung, sondern wird erst aktuell, wenn der Wert des Nachlasses ermittelt worden ist und dieser nicht ausreicht, um alle Nachlassverbindlichkeiten inklusive des sozialrechtlichen Erstattungsanspruchs aus § 102 SGB XII zu erfüllen. Erst dann stellt sich aus der Warte des Insolvenzrechts die Frage, wie der sozialrechtliche Erstattungsanspruch im Nachlassinsolvenzverfahren systemkonform in das insolvenzrechtliche Rangfolgensystem einzuordnen ist. Es fehlt an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, an welcher Stelle dieser im Insolvenzverfahren zu befriedigen ist, vergleichbar mit den in § 327 InsO getroffenen Bestimmungen über erbrechtsspezifische Verbindlichkeiten. Es stellt sich demnach die Frage, ob er zu den nachrangigen Insolvenzgläubigern zu rechnen ist oder nicht. Von Bedeutung ist dies, weil die nachrangigen Insolvenzgläubiger nur dann aus der Insolvenzmasse befriedigt werden, wenn zuvor alle Massegläubiger und Insolvenzgläubiger im Rang des § 38 InsO vollständig befriedigt wurden und die nachrangigen Insolvenzgläubiger bei Mangel an Masse leer ausgehen.
Rz. 69
Letztrangig zu erfüllen sind gemäß § 327 InsO nach Pflichtteilsverbindlichkeiten (§ 327 Abs. 1 Nr. 1 InsO) solche aus Vermächtnissen und Auflagen (§ 327 Abs. 1 Nr. 2). Dies, da sich diese Verbindlichkeiten gegen den Erben als solchen richten und daher aus systematischer Sicht im Nachlassinsolvenzverfahren – das sich auf den Nachlass bezieht – eigentlich gar nicht bedient werden dürften (vgl. § 325 InsO) und deren Berücksichtigung den Gläubigern des Erblassers jedenfalls nicht schaden darf. Auch in dem allgemeinen Katalog der nachrangigen Verbindlichkeiten in § 39 InsO findet der Anspruch des Sozialhilfeträgers aus § 102 SGB XII keine ausdrückliche Erwähnung. Aufgrund der abschließend bestimmten Aufzählung aller nachrangigen Verbindlichkeiten lässt sich der Anspruch aus § 102 SGB XII nur als reguläre, nicht nachrangige Insolvenzforderung im Rang des § 38 InsO einordnen.
Rz. 70
Zwar mag gegen die Einstufung als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) streiten, dass sich der sozialrechtliche Erstattungsanspruch wie die nachrangigen Verbindlichkeiten ebenfalls gegen den Erben als solchen richtet und er daher im Einklang mit der ratio des § 327 InsO eigentlich letztrangig bedient werden müsste. Allerdings sind dem Sozialhilfeträger durch die nicht nachrangige Einstufung i.S.v. § 38 InsO höhere Chancen eingeräumt, jedenfalls anteilig aus der Insolvenzmasse befriedigt zu werden. Eine den Sozialhilfeträger benachteiligende Rückstufung des Kostenersatzanspruchs zur nachrangigen Forderung i.S.v. § 327 InsO kann damit nur dem Gesetzgeber obliegen, der diesbezügliche Intentionen jedoch nicht verfolgt hat.