Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Bestattungskosten. Zumutbarkeit der Kostentragung. Hilfebedürftigkeit. Kostendeckung durch Nachlass. Vorrang vor anderen Nachlassverbindlichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Aus einem Nachlass, der nicht alle Nachlassverbindlichkeiten abdeckt, sind vom Erben vorrangig die Bestattungskosten zu decken. Die Überschuldung des Nachlasses begründet keinen Anspruch nach § 74 SGB 12, wenn der Nachlass für die Deckung der Bestattungskosten ausreicht.
Orientierungssatz
Die Kosten der Bestattung sind vorrangig gegenüber anderen Nachlassverbindlichkeiten, so dass jedenfalls dann, wenn der Nachlass zumindest ausreicht, um die Bestattungskosten zu decken, ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger gemäß § 74 SGB 12 mangels Unzumutbarkeit der Kostentragung der Erben nicht besteht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme noch offener Bestattungskosten in Höhe von 812, 17 € für seine Mutter durch die Beklagte.
Der Kläger ist alleiniger Erbe und Nachkomme seiner am 14.01.2009 verstorbenen Mutter. Der Kläger selbst stand seinerzeit im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB III bei der Bundeagentur für Arbeit sowie ergänzend nach dem SGB II beim Jobcenter Kiel.
Am 19.01.2009 wandte sich der Kläger wegen der Übernahme der Bestattungskosten an die Beklagte. Mit Schreiben vom selben Tag sandte die Beklagte dem Kläger ein Antragsformular zu und wies u.a. darauf hin, dass Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten gälten und vorhandener Nachlass zur Bestreitung der Bestattungskosten einzusetzen sei. Auf den später nachgereichten Antragsunterlagen gab der Kläger an, auf dem Girokonto der Verstorbenen habe sich am Todestag ein Stand von 36,25 € befunden, zudem habe ein Sparkonto mit 803,24 € Guthaben bestanden. Außerdem habe eine Lebensversicherung bestanden. Das Versicherungsunternehmen teilte mit Schreiben vom 29.01.2009 mit, der Auszahlungsbetrag der Lebensversicherung von 3338,76 € sei an das Bestattungsunternehmen ausgekehrt worden. Die Rechnung des Bestattungsinstitutes vom 19.03.2009 belief sich auf 4154,74 €, abzüglich der Leistung der Lebensversicherung sind noch 812,17 € offen.
Mit Bescheid vom 18.05.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Versicherungsleistungen und der Nachlass der Verstorbenen hätten ausgereicht, um die angemessenen Kosten für das Begräbnis zu decken. Der Kläger werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch die Kosten für die Herstellung und Gravur, den Transport und die Aufstellung eines Grabsteins bis zu 330,- € übernehme. Die Kosten dafür wären nicht mehr durch die Versicherungsleistungen und den Nachlass gedeckt.
Mit Anwaltsschreiben vom 09.06.2009 ließ der Kläger Widerspruch einlegen. Er habe keinerlei Vermögenswerte aus der Erbschaft erhalten. Er habe lediglich gegen seine Mutter bestehende offene Forderungen für die Wohnung in Neumünster ausgeglichen. Auch sonst sei er bedürftig, so dass die Bestattungskosten zu übernehmen seien.
Mit Bescheid vom 14.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Nachlass und die Leistungen, die aus Anlass des Todes geleistet würden, seien vom Erben vorrangig für die Bestattungskosten einzusetzen. Durch die Auftragserteilung für die Bestattung am 15.01.2009 sei ihm bekannt gewesen, dass Bestattungskosten in Höhe von voraussichtlich 4.600,- € als Nachlassverbindlichkeiten vorhanden seien. Dem Erben sei es zuzumuten, vorrangig alle Mittel einzusetzen, die ihm durch den Tod des Verstorbenen zugeflossen seien. Der Kläger habe diese Mittel nachweislich auch für eigene Ausgaben (Tankrechnungen, Einkäufe) und für andere Ausgaben der Verstorbenen (Telefon, Miete) genutzt. Dies könne nicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers gehen. Der Nachlass habe ausgereicht, um die Bestattungskosten zu decken. Der Kläger hätte im Zweifel auch die Erbschaft ausschlagen können.
Hiergegen hat der Kläger am 17.08.2009 Klage erheben lassen. Er habe die aus dem Nachlass stammenden Mittel seiner Mutter fast vollständig zur Deckung der Bestattungskosten genutzt, insbesondere den gesamten Auszahlungsbetrag einer Lebensversicherung in Höhe von 3.338,76 € an das Bestattungsunternehmen weitergeleitet. Den Nachranggrundsatz habe er nicht verletzt. Er habe außerdem Benzinkosten aus dem Nachlass gedeckt, da er zur Abwicklung mehrfach nach Neumünster habe fahren müssen, außerdem habe er moderat Lebensmitteleinkäufe vorgenommen. Die Begleichung von Mietforderungen und Energierechnungen seien ihm ebenso wenig zur Last zu legen, dies seien eindeutig Nachlassverbindlichkeiten. Der Nachlasswert sei von vornherein um diese Beträge zu bereinigen. Außerdem sei er beim telefonischen Erstkontakt mit der Sachbearbeiterin der Beklagten aufgefordert worden, erst einmal die Formalitäten des Todesfalls abzuwickeln und die laufenden Kosten auszugleichen. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die Bestattungskosten oberste Pri...