Rz. 1
Das Rechtsinstitut der Nachlassinsolvenz besteht in seiner derzeitigen Form seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999. Es geht zurück auf das ähnliche, in der nunmehr durch die InsO abgelösten Konkursordnung (KO) normierte Nachlasskonkursverfahren. Die 1877 in Kraft getretene Konkursordnung, die sich in ihrer Geltung auf das gesamte Deutsche Reich erstreckte, war geprägt von dem französischen Code Civil, dem französischen Fallimentsgesetz und der Preußischen Konkursordnung von 1855. Die §§ 214 ff. KO bildeten die rechtliche Grundlage für das Konkursverfahren. Als einziger Eröffnungsgrund des Konkursverfahrens über einen Nachlass war in Abweichung zum Regelkonkurs dessen Überschuldung anerkannt (§ 215 KO). Dies war durch das gesetzgeberische Bild eines statischen und nicht mehr veränderlichen Nachlasses motiviert ("Vermögensinbegriff, dessen Schicksal abgeschlossen ist"). 1935 trat neben den Nachlasskonkurs das konkursabwendende Nachlassvergleichsverfahren aufgrund der Vergleichsordnung. Dieses bewirkte wie das Nachlasskonkursverfahren die Beschränkung der persönlichen Haftung des Erben für die Verbindlichkeiten des Nachlasses, hatte aber den Unterschied, dass es dem Erben die Möglichkeit einer Selbstverwaltung über den Nachlass eröffnete und nicht zu einer Trennung des Nachlasses vom Erbeneigenvermögen (separatio bonorum) führte.
Rz. 2
In den neuen Bundesländern galt bis zum Inkrafttreten der InsO anstelle der KO und VerglO die Gesamtvollstreckungsordnung (GesO), die ein mit dem Nachlasskonkurs vergleichbares Nachlass-Gesamtvollstreckungsverfahren vorsah.
Rz. 3
Durch die Arbeit einer im Jahre 1978 etablierten Kommission zur Erneuerung des Konkursrechts wurden erstmals Neuerungen in Bezug auf das Konkursverfahren nach der KO diskutiert: Zunächst entstand der Vorschlag, auch Zahlungsunfähigkeit und drohende Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgründe aufzunehmen, um auf diese Weise zu vermeiden, dass Verfahren erst verzögert eröffnet werden konnten und um die früher hohe Zahl der Verfahren, die mangels ausreichender Masse abgelehnt werden mussten, zu reduzieren. Auch diskutiert wurde der Vorschlag, künftige Nachlassinsolvenzverfahren nur noch zuzulassen, wenn der Nachlass unternehmenstragend sei; für andere Fälle sollte sich die bei diesen Nachlässen im Zentrum stehende Herbeiführung der Haftungsbeschränkung des Erben auf den Nachlass durch das einfachere und kostengünstigere Verfahren einer Nachlassverwaltung nach §§ 1975 ff. BGB richten.
Rz. 4
In Gestalt eines 1989 vom Bundesjustizministerium veröffentlichten Ergänzungsentwurfs einer neuen Insolvenzordnung wurden erstmals konkrete Formulierungsvorschläge für diejenigen Normen, die das heutige reformierte Nachlassinsolvenzverfahren regeln, dargelegt. Diese wurden unverändert in den Regierungsentwurf der Insolvenzordnung von 1992 übernommen. Im Verlauf des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens kam es zu geringen Änderungen; etwa in Bezug auf die Regelungssystematik des Erbschaftskaufs. Die neue Insolvenzordnung mit dem überarbeiteten Rechtsinstitut der Nachlassinsolvenz trat dann zum 1.1.1999 in Kraft und beseitigte die KO, VerglO wie auch die GesO. Grund für die Reform des Konkursrechts und die Einführung der neuen Insolvenzordnung war der zunehmende Funktionsverlust des Konkursverfahrens als Mittel zur partiellen Befriedigung der Gesamtgläubigerschaft, da mehr und mehr Konkursverfahren mangels Masse gar nicht erst eröffnet worden waren oder wegen im Laufe des Verfahrens offenbar werdender Massearmut eingestellt werden mussten. Lediglich 22 % aller Konkursanträge konnten ordnungsgemäß abgeschlossen werden, auch weil es an Möglichkeiten fehlte, um die Insolvenzmasse nachträglich anzureichern.
Rz. 5
Die heutigen §§ 315–331 InsO haben die vormals geltenden §§ 214–235 KO indes im Wesentlichen übernommen. Auch die Regelungssystematik wurde übernommen; die Vorschriften über das Nachlassinsolvenzverfahren normieren lediglich besondere Abweichungen vom Regelinsolvenzverfahren, abseits dessen gelten die allgemeinen Regelungen über das Regelinsolvenzverfahren. Die schon in Zeiten der KO bestehende enge Verzahnung zwischen Nachlass- und Regelinsolvenz wurde übernommen. Die wohl bedeutendste Neuerung besteht in der Aufnahme auch der Zahlungsunfähigkeit und der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses als Nachlassinsolvenzeröffnungsgrund neben der Überschuldung (§ 320 InsO) und in einem gelockerten Verständnis der Zahlungsunfähigkeit, um eine möglichst frühzeitige Verfahrenseröffnung zu ermöglichen.
Rz. 6
Neu eingeführt wurden durch die InsO mit der Eigenverwaltung und dem Insolvenzplanverfahren Instrumente der kooperativen Schuldenbereinigung. Die Möglichkeiten der Eigenverwaltung und des Insolvenzplanverfahrens (vgl. § 1989 BGB) stehen zwar grundsätzlich auch im Nachlassinsolvenzverfahren offen. Der Anwendungsbereich der Eigenverwaltung ist insofern verengt, als sie dafür konzipiert ist, die erfo...