Rz. 80
Grundsätzlich besteht für das Gericht die Möglichkeit, zwischen dem Streng- und dem Freibeweisverfahren zu wählen, wobei das Gericht aber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, § 30 Abs. 1 FamFG.
Eine förmliche Beweisaufnahme (Strengbeweisverfahren) ist nach pflichtgemäßem Ermessen stets dann erforderlich, wenn durch formlose Ermittlungen eine genügende Sachaufklärung nicht zu erreichen ist oder wenn das Recht der Beteiligten, an der Wahrheitsermittlung mitzuwirken, auf andere Weise nicht gesichert ist.
Haben z.B. Zeugen bei ihrer formlosen Anhörung schriftlich zu einem entscheidenden Punkt einander widersprechende Angaben gemacht, so ist es für eine verlässliche Beweiswürdigung grundsätzlich unumgänglich, dass der Tatrichter sich durch die persönliche Vernehmung und Gegenüberstellung der Zeugen zunächst einen Eindruck von deren Glaubwürdigkeit verschafft.
Rz. 81
Im Einzelnen können folgende Gesichtspunkte eine förmliche Beweisaufnahme gebieten:
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Ermittlung wichtiger Einzeltatsachen, wie z.B. die Frage der Testierfähigkeit, die Errichtung oder der Inhalt eines Testaments; |
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streitige Tatsachen oder widersprechende Angaben der Beteiligten; |
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die Aussage eines Zeugen wird in Zweifel gezogen (Fragerecht). |
Rz. 82
Nach § 30 Abs. 1 FamFG liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit es sich zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO bedienen will. Um die Flexibilität des FamFG-Verfahrens zu erhalten, verzichtet das FamFG auf eine ermessensleitende Generalklausel. Allerdings wird in bestimmten Fällen eine förmliche Beweisaufnahme vorgeschrieben, so wenn dies im Besonderen Teil des Gesetzes vorgeschrieben wird, § 30 Abs. 2 FamFG, z.B.
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in einzelnen Rechtsfürsorgeverfahren oder |
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bei Eingriffen in die Grundrechte des Betroffenen oder |
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wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung einer Tatsache, die im Freibeweisverfahren streitig geblieben ist, stützen will und die Richtigkeit der Tatsache von einem Beteiligten ausdrücklich weiter bestritten wird, § 30 Abs. 3 FamFG. |
Rz. 83
Wählt das Gericht trotz Vorliegens derartiger Umstände nicht das Strengbeweisverfahren, so kann eine eventuelle Beschwerde auf einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht nach § 26 FamFG gestützt werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen vorliegen müssen.
Sieht z.B. das Gericht Anlass, die Testierfähigkeit des Erblassers zu überprüfen, so bedarf es dann nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn nach den im Einzelfall gebotenen Ermittlungen dem Gericht keine ernsthaften Zweifel an der Testierfähigkeit verbleiben.