Rz. 1

Über die Nachlasssachen, insbesondere über die Erteilung eines Erbscheins, wird im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden. Insoweit waren früher primär die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) vom 17.5.1898 maßgeblich. Daneben sind noch die Vorschriften des Rechtspflegergesetzes, des Beurkundungsgesetzes, des GNotKG, der Zivilprozessordnung und die §§ 2353 ff. BGB zu beachten.

Das Nachlassverfahren wird speziell im 4. Buch in den §§ 342 ff. FamFG geregelt. Im Übrigen sind auch die Vorschriften des Allgemeinen Teils im 1. Buch (§§ 1110 FamFG) zu beachten.

 

§ 342 FamFG Begriffsbestimmung

(1) Nachlasssachen sind Verfahren, die

1. die besondere amtliche Verwahrung von Verfügungen von Todes wegen,
2. die Sicherung des Nachlasses einschließlich Nachlasspflegschaften,
3. die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen,
4. die Ermittlung der Erben,
5. die Entgegennahme von Erklärungen, die nach gesetzlicher Vorschrift dem Nachlassgericht gegenüber abzugeben sind,
6. Erbscheine, Testamentsvollstreckerzeugnisse und sonstige vom Nachlassgericht zu erteilende Zeugnisse,
7. die Testamentsvollstreckung,
8. dieNachlassverwaltung sowie
9. sonstige den Nachlassgerichten zugewiesenen Aufgaben

betreffen.

(2) Teilungssachen sind

1. die Aufgaben, die Gerichte nach diesem Buch bei der Auseinandersetzung eines Nachlasses und des Gesamtguts zu erledigen haben, nachdem eine eheliche, lebenspartnerschaftliche oder fortgesetzte Gütergemeinschaft beendet wurde, und
2. Verfahren betreffend Zeugnisse über die Auseinandersetzung des Gesamtguts einer ehelichen, lebenspartnerschaftlichen oder fortgesetzten Gütergemeinschaft nach den §§ 36 und 37 der Grundbuchordnung sowie nach den §§ 42 und 74 der Schiffsregisterordnung.

I. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug

1. Amtsgericht

 

Rz. 2

Eine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Amts- und Landgericht nach Streitwert kennt das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Grundsätzlich sind die Amtsgerichte erstinstanzlich zur Entscheidung berufen. Die sachliche Zuständigkeit der Nachlassgerichte ergibt sich aus § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG.[1] Der Gesetzgeber hat sämtliche FamFG-Sachen im GVG "verankert"[2] und die Zivilsachen in § 13 GVG definiert. Zu den "Zivilsachen" im Sinne des GVG gehören auch die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

 

§ 23a GVG

(1) Die Amtsgerichte sind ferner zuständig für

1. Familiensachen;
2. Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht durch gesetzliche Vorschriften eine anderweitige Zuständigkeit begründet ist.

Die Zuständigkeit nach Satz 1 Nummer 1 ist eine ausschließliche.

(2) Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind

1. Betreuungssachen, Unterbringungssachen sowie betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen,
2. Nachlass- und Teilungssachen,

 

Rz. 3

Landesrechtliche Vorschriften, nach welchen für die dem Nachlassgericht obliegenden Verrichtungen andere als gerichtliche Behörden zuständig sind, bleiben unberührt. Bis zum 31.12.2017 nahm in Württemberg der Bezirksnotar, Art. 73 ff. AGBGB, und in Baden der Notar nach § 33 LFGG die Aufgaben des Nachlassgerichts wahr.[3] Seit dem 1.1.2018 sind auch in Baden-Württemberg die Amtsgerichte für Nachlasssachen zuständig. Gegen die Entscheidung des Amtsrichters ist die (befristete) Beschwerde zum Oberlandesgericht der statthafte Rechtsbehelf im nachlassgerichtlichen Verfahren, §§ 58 ff. FamFG.

[1] Zu den Ausnahmen vgl. Kroiß, Zuständigkeitsprobleme in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 125.
[2] Fölsch, Das neue FamFG in Familiensachen, § 2 Rn 6.
[3] Vgl. Brehm, FG, Rn 110.

2. Landgericht

 

Rz. 4

Das Landgericht entscheidet im FamFG-Verfahren nur noch über Beschwerden in Freiheitsentziehungssachen und in Betreuungssachen.

 

§ 72 Abs. 1 S. 2 GVG

Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

 

§ 119 Abs. 1 GVG

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung

über die Rechtsmittel:

1.

der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte

a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b) in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2. der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

3. Oberlandesgericht

 

Rz. 5

Das Oberlandesgericht entscheidet in Nachlasssachen als zweite Tatsacheninstanz, § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG.

Gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts kann die Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG zugelassen werden. Die Rechtsbeschwerde ist von dem Beschwerdegericht zuzulassen, wenn eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit oder zur Vereinheitlichung oder zur Fortbildung des Rechts geboten ist.

 

Rz. 6

Muster 1.1: Beschwerdeeinlegung

 

Muster 1.1: Beschwerdeeinlegung

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

_________________________

In der Nachlasssache _________________________

lege ich unter Vollmachtsv...

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