Rz. 68
Was die Form der Beweisaufnahme anbelangt, ist das Gericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet, den Sachverhalt von sich aus hinreichend aufzuklären und sich aller geeignet erscheinenden Beweismittel zu bedienen, also auch des Freibeweises. Eine subjektive Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast ist nicht gegeben. Hingegen existiert eine objektive Beweislast (Feststellungslast) in dem Fall, wenn eine Tatsache nicht mehr aufklärbar ist: jeder Beteiligte trägt die Beweislast für die Voraussetzungen einer ihm günstigen Norm.
Rz. 69
Auch nach § 30 Abs. 1 FamFG liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit es sich zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO bedienen will. Um die Flexibilität des Verfahrens zu erhalten, verzichtet das FamFG auf eine ermessensleitende Generalklausel.
Allerdings wird in bestimmten Fällen eine förmliche Beweisaufnahme vorgeschrieben, so wenn dies im Besonderen Teil des Gesetzes vorgeschrieben wird, § 30 Abs. 2 FamFG, z.B.
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in einzelnen Rechtsfürsorgeverfahren oder |
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bei Eingriffen in die Grundrechte des Betroffenen oder |
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wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung einer Tatsache, die im Freibeweisverfahren streitig geblieben ist, stützen will und die Richtigkeit der Tatsache von einem Beteiligten ausdrücklich weiter bestritten wird, § 30 Abs. 3 FamFG. |
1. Freibeweis
Rz. 70
Anders als im Zivilprozess können im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Tatsachen auch freibeweislich ermittelt werden. In Betracht kommen dabei insbesondere
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die Beziehung von Akten, |
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Einsicht in jede Art von Urkunden, |
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eidesstattliche Versicherungen Dritter, |
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die Einholung von Auskünften, |
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die formlose Anhörung von Zeugen, Sachverständigen und Beteiligten und |
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der Augenschein. |
Das Gericht ist bei der Beweisaufnahme an keine Form gebunden. Es kann den Beweis mündlich, telefonisch, aber auch durch schriftliche Anhörung erheben. Auch kann der Richter privates Wissen verwerten.
2. Strengbeweis
Rz. 71
Sofern sich das Gericht des Strengbeweisverfahrens bedient, gelten die §§ 355–370 ZPO entsprechend, § 30 Abs. 1 FamFG. Insoweit ist eine förmliche Beweisaufnahme erforderlich.
a) Anordnung der Beweisaufnahme
Rz. 72
Die Anordnung der Beweisaufnahme kann formlos geschehen. Eines Beweisbeschlusses bedarf es nicht. Wegen des Untersuchungsgrundsatzes bedarf es auch keines Beweisantritts. Die §§ 371, 373, 403, 420 ZPO sind nicht entsprechend heranzuziehen.
Rz. 73
Muster 1.16: Anordnung der Beweisaufnahme
Muster 1.16: Anordnung der Beweisaufnahme
VI _________________________ / _________________________
Verfügung:
1. |
Termin zur Beweisaufnahme wird bestimmt auf _________________________ |
2. |
Zu diesem Termin sind die Zeugen _________________________ _________________________ zu laden. |
3. |
Terminsmitteilung an Beteiligte _________________________ |
4. |
WV sp. _________________________ |
(Richter am Amtsgericht)
b) Beteiligtenöffentlichkeit
Rz. 74
Auch im FamFG-Verfahren gilt der Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit. Die Beteiligten haben in den förmlichen Beweisverfahren Anspruch auf Anwesenheit und Ausübung des Fragerechts, § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 397 ZPO. Damit das Teilnahme- und Fragerecht auch tatsächlich möglich ist, ist eine Terminsnachricht erforderlich. Im Übrigen wird nicht öffentlich verhandelt, §§ 169, 170 GVG.
c) Mündlichkeitsgrundsatz
Rz. 75
Eine zwingende mündliche Verhandlung kennt das nachlassgerichtliche Verfahren nicht.
Nach § 32 Abs. 1 FamFG kann das Gericht, sofern es dies für sachdienlich hält, die Sache mit den Beteiligten in einem Termin erörtern. Damit hat das Gericht auch nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen mündlichem und schriftlichem Verfahren zu wählen.
d) Muster: Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
Rz. 76
Muster 1.17: Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
Muster 1.17: Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Erbscheinsantrag des _________________________
Zur Klärung der Frage, ob der Erblasser bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom _________________________ bezüglich der Enterbung seines Sohnes von falschen Tatsachen ausging, beantrage ich eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Allein die schriftlichen Äußerungen der Zeugen reichen nicht aus, weil _________________________.
(Rechtsanwalt)
e) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme
Rz. 77
Wie im Zivilprozess muss auch im nachlassgerichtlichen Verfahren der Strengbeweis durch den erkennenden Richter erhoben werden. Insoweit gilt § 355 ZPO entsprechend.
Allerdings kennt dieser Grundsatz zwei Ausnahmen:
Die Beweisaufna...