Rz. 81
Dem Gesellschaftsstatut unterliegt auch die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere für die Frage, welches Organ zur Vertretung der Gesellschaft berufen ist, in welcher Art und Weise dessen Mitglieder die Gesellschaft vertreten können (Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis), welchen Grenzen und Einschränkungen die Vertretungsbefugnis unterliegt (Selbstkontrahieren und Mehrfachvertretung, Handeln im Fall von Interessenkollisionen, Beschränkungen bei der Vornahme bestimmter Geschäfte mit besonderer Bedeutung wie z.B. Verfügungen über Immobilien oder hohe Gegenstandswerte) und welche Folgen sich aus dem Überschreiten dieser Kompetenzen ergeben (Nichtigkeit ipso iure, Anfechtbarkeit, Schadensersatz).
Rz. 82
Genau wie bei Beschränkungen der Handlungsfähigkeit findet auch bei sich aus dem Gesellschaftsstatut ergebenden Beschränkungen der Vertretungsbefugnis der organschaftlichen Vertreter Art. 12 EGBGB bzw. Art. 13 Rom I-VO entsprechende Anwendung. Bleibt der Umfang der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers einer ausländischen GmbH hinter dem des Geschäftsführers einer deutschen GmbH zurück, so gelangt das dem Geschäftspartner günstigere deutsche Ortsrecht zur Anwendung, sofern dieser von der Divergenz nichts wusste oder wissen konnte.
Rz. 83
Von der organschaftlichen ist die gewillkürte Vertretung zu trennen. Hierfür gilt das Gesellschaftsstatut nicht, sondern das sog. Vollmachtsstatut. Das Vollmachtsstatut ist nur in Art. 8 EGBGB gesetzlich geregelt. Das Vollmachtsstatut wird grundsätzlich danach bestimmt, in welchem Land von der Vollmacht erkennbar Gebrauch gemacht werden soll bzw. tatsächlich Gebrauch gemacht wird (Wirkungslandsprinzip, Art. 8 Abs. 5 EGBGB). Sonderregeln gelten hier für die typisierten Vollmachten des Handelsrechts. So unterliegen die Prokura und die Handlungsvollmacht grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat bzw. in dem sich die Niederlassung befindet, von der aus der Vertreter handelt, Art. 8 Abs. 3 EGBGB. Da nunmehr nicht mehr unbedingt das Recht des Staates, in dem das Unternehmen seinen (tatsächlichen) Sitz hat, Gesellschaftsstatut ist, können also das Statut der Prokura und das Gesellschaftsstatut differieren. Bei einer irischen limited company als faktischer Inlandsgesellschaft gilt also deutsches Recht für die Prokura, so dass eine Prokura erteilt werden kann, obwohl das irische Recht einen derartigen Vertretungstypus nicht kennt. Ist die Prokura oder eine Handlungsvollmacht auf eine Zweigniederlassung beschränkt (Filialprokura), so gilt das Recht des Staates, in dem sich diese Zweigniederlassung befindet. Dies gilt erst recht für den Fall des ständigen Vertreters der Gesellschaft i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. e der sog. Zweigniederlassungsrichtlinie (= § 13e Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 HGB).