Rz. 9
Die Nachlassinsolvenz ist ein Rechtsinstitut, das zur gerichtlich angeordneten treuhänderischen Verwaltung und Abwicklung eines Nachlasses dient. Das grundlegende Programm der treuhänderischen Nachlassabwicklung umfasst die Inbesitznahme, Sicherung, Inventarisierung, Bewertung, Verwertung und Verteilung des Nachlasses. Die Anordnung erfolgt unabhängig vom Willen des Erblassers nach dessen Ableben und dient als Reaktionsmittel für wirtschaftlich beteiligte Dritte. Im Gegensatz dazu ist etwa die Testamentsvollstreckung ein gestalterisches erbrechtliches Instrument des Erblassers.
Rz. 10
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein spezielles Insolvenzverfahren, das gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO über das abgegrenzte Sondervermögen Nachlass eröffnet und nach Maßgabe der §§ 315 ff. InsO durchgeführt wird. Das Eigenvermögen des Erben bleibt unberührt. Soweit die §§ 315 ff. InsO keine Sondervorschriften vorsehen, gelten für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften über das Regelinsolvenzverfahren.
Rz. 11
Infolge der mit dem Erbfall eintretenden Universalsukzession, nach der der Erbe mit dem Tod des Erblassers in jegliche Rechte und Pflichten eintritt, gehen das gesamte Vermögen, aber auch alle Verbindlichkeiten auf den Erben über (Gesamtrechtsnachfolge). Es kommt zur Vereinigung der Vermögensmasse "Nachlass" mit dem Eigenvermögen des Erben. Das Nachlassinsolvenzverfahren führt zu einer nachträglichen Trennung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben, sodass die Nachlassgläubiger nur noch auf das Nachlassvermögen zugreifen können. Andererseits steht den Eigengläubigern des Erben, die im Falle der unbeschränkten Haftung auch auf das Nachlassvermögen Zugriff haben, nur noch das Eigenvermögen des Erben zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung. Beide Vermögensmassen werden durch das Verfahren nachträglich wieder derart wirtschaftlich getrennt, als wäre der Erbfall nie eingetreten.
Rz. 12
Soweit diese Trennung nicht schon von Gesetzes wegen erfolgt (z.B. §§ 1976 f. BGB), gehört ihre Durchführung zum maßgeblichen Aufgabenprogramm des Insolvenzverwalters. Die Vorschriften des Nachlassinsolvenzrechts sind von dem Prinzip geprägt, die sich nach dem Erbfall fortentwickelnden Verhältnisse wirtschaftlich in den Zustand zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurückzuversetzen (vgl. etwa §§ 1976–1980 BGB). Dahinter steht der Gedanke, den wirtschaftlich Berechtigten, die keinen Einfluss auf das Ableben des Erblassers hatten, dessen gesamten Aktivnachlass unverändert als Haftungssubstrat zur Verfügung zu stellen.