Rz. 40
Möglich sind auch Konstellationen, in denen die Erben oder sogar weitere Erbeserben gar nicht bekannt sind, insbesondere bei großen oder seit mehreren Erbgängen ungeteilt bestehenden Erbengemeinschaften. Auch können Erben im Ausland ansässig oder unbekannt verzogen sein. Soll Erbteilungsklage seitens eines Miterben erhoben werden, ergeben sich Schwierigkeiten bereits daraus, dass die Angabe einer ladungsfähigen Adresse für alle Miterben notwendig ist. Häufig sind involvierte Erben auch derart emotional befangen, dass sie zu keinerlei Mitwirkung bereit sind.
Rz. 41
Alle diese Fälle haben gemeinsam, dass eine Prozessführung mit dem Ziel, die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen, noch umständlicher, rechtlich komplizierter und zeitaufwendiger wird. Überdies ist fraglich, wieviel des ursprünglichen Nachlasssubstrats nach einer solchen, sich in die Länge ziehenden Schwebezeit und auch kostenintensiven Prozessführung letztlich noch übrigbleibt.
Rz. 42
In solchen prekären und rechtlich umständlich handhabbaren Situationen, in denen die gemeinsame Mitwirkung aller Miterben – sei es aufgrund fehlender Erreichbarkeit aller Miterben oder schlicht aufgrund fehlender Bereitschaft einzelner Miterben – nicht möglich ist, kann das Nachlassinsolvenzverfahren als strategisches Mittel zur effizienten Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften als Alternative dienen:
1. |
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist voraussetzungsarm. Damit das Insolvenzgericht ein Verfahren eröffnet, ist lediglich erforderlich, dass ein Nachlassinsolvenzeröffnungsgrund gegeben ist bzw. der Nachlass materiell insolvenzreif ist und dass er die Kosten des Verfahrens zu decken vermag. Der Notwendigkeit der Verfahrenskostendeckung kann aber sogar dadurch abgeholfen werden, dass der Antragsteller einen ausreichenden Geldbetrag vorschießt (§ 26 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 InsO). |
2. |
Ist die erbrechtlich erforderliche Gesamtvertretung der Erbengemeinschaft durch Zusammenwirken aller Miterben nicht möglich, so ist sie nicht in der Lage, fällige Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Fast immer sind gegen den Nachlass gerichtete Verbindlichkeiten fällig. Selbst wenn in dem Nachlass ausreichend liquide Mittel vorhanden sind, ist der Nachlass insolvenzrechtlich zahlungsunfähig und erfüllt somit einen Nachlassinsolvenzeröffnungsgrund. |
3. |
Ein Miterbe hat das Antragsrecht auch allein und ist nicht auf das Zusammenwirken aller Miterben angewiesen, wenn er einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann. Die anderen Miterben sind, soweit bekannt, lediglich anzuhören (§ 317 Abs. 2 InsO). Auch Erbeserben und weitere Gesamtrechtsnachfolger des Erben kommt das Nachlassinsolvenzantragsrecht kraft ihres Eintritts in alle Rechte und Pflichten (insb. Nachlassinsolvenzantragspflicht des § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB) zu. |
Rz. 43
Die Erbauseinandersetzung über ein Nachlassinsolvenzverfahren zu betreiben, bietet vielerlei Vorzüge:
Der Nachlassinsolvenzverwalter erhält nach der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am Nachlass und emotionalen Konflikten. Er wird damit handlungsfähig für den andernfalls nur schwer oder gar nicht durch gemeinsame Verwaltung beherrschbaren Nachlass. Er kann dessen Wert durch seine Verwaltung vor Schmälerung aus sich selbst heraus oder durch andere Nachlassbeteiligte sichern und zusammenhalten.
Rz. 44
Nach Abschluss des Nachlassinsolvenzverfahrens und der Befriedigung der beteiligten Gläubiger aus dem Nachlasssubstrat wird der Überschuss gemäß ihren Erbquoten an die Miterben verteilt (§ 199 InsO). Der verantwortliche Insolvenzverwalter handelt hierbei als außenstehender Dritter, sodass Konflikte innerhalb der Erbengemeinschaft, die die reguläre Erbaufteilung nach §§ 2042 ff. BGB birgt, minimiert werden. Der Miterbe kann in Verbindung mit seinem Antragsrecht auf diese Weise die Erbengemeinschaft zu Fall bringen. Andere Miterben werden nicht benachteiligt; wenn Miterben unbekannt sind, kann der ihnen zukommende Überschuss beim Amtsgericht hinterlegt werden (§§ 372 ff. BGB).
Rz. 45
Zumal gewähren die Expertise des Nachlassinsolvenzverwalters mit Veräußerungsgeschäften sowie seine Verpflichtung zum Schutz der Nachlassinsolvenzmasse optimale Veräußerungserlöse. Der Nachlassinsolvenzverwalter kann auf ein Netzwerk aus Sachverständigen und Kaufinteressenten zurückgreifen und wird in der Regel einen höheren Erlös erzielen als der einzelne Miterbe. Der Einsatz eines Nachlassinsolvenzverwalters führt hierdurch im Vergleich zur regulären Erbauseinandersetzung unter Umständen zu einer höheren Restmasse, die nach Abschluss des Verfahrens an die Erben ausgekehrt werden kann. Somit profitiert letztlich jeder einzelne Miterbe von dem Verfahren.
Rz. 46
Durch das Nachlassinsolvenzverfahren müssen nicht notwendigerweise alle Nachlassgegenstände durch Veräußerung an Dritte aus der Erbengemeinschaft ausscheiden. Die einzelnen Nachlassbeteilig...