Rz. 18
Eine Haftungsbeschränkung ist überhaupt erst ab dem Zeitpunkt notwendig, ab welchem die Erbschaft angenommen wurde. Vor Ablauf der Ausschlagungsfrist oder vor einer vor diesem Zeitpunkt liegenden ausdrücklichen oder konkludenten Erbannahme durch den Erbberechtigten können Ansprüche gegen den Nachlass nicht gerichtlich durchgesetzt werden. Der Erbberechtigte kann Nachlassgläubigern vor Annahme der Erbschaft die Einwendung des § 1958 BGB entgegenhalten. Erst ab Annahme der Erbschaft erlangen Haftungsbeschränkungsmaßnahmen Bedeutung.
Rz. 19
Um den Nachlass sichten und ordnen zu können, stellt das Gesetz dem Erben sogenannte Schonungseinreden zur Verfügung, die ihn berechtigen, die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten vorübergehend zu verweigern. Hierzu zählen die Dreimonatseinrede (§ 2014 BGB) sowie die Aufgebotseinrede (§ 2015 BGB). Aufgrund der Dreimonatseinrede kann der Erbe innerhalb der ersten drei Monate ab der erklärten Annahme oder anderenfalls ab dem Ablauf der Ausschlagungsfrist gegenüber allen Nachlassgläubigern die Leistung verweigern. Innerhalb dieser Zeit kann er den Nachlass sichten und entscheiden, ob weitergehende Maßnahmen zur endgültigen Beschränkung der persönlichen Haftung angezeigt sind. In Anbetracht dieser ratio legis ist die Einrede nicht mehr zulässig, wenn der Erbe vor Ablauf der drei Monate bereits ein Inventar errichtet und somit bereits einen Überblick über den Nachlass gewonnen hat (§ 2014 BGB a.E.).
Rz. 20
Der Erbe kann, um sich Kenntnis über die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen, Nachlassgläubiger gerichtlich zur Anmeldung von Ansprüchen und Rechten gegen den Nachlass auffordern lassen (Aufgebotsverfahren, §§ 1970 ff. BGB). Auf dieser Grundlage soll er ebenfalls entscheiden können, ob weitere Haftungsbeschränkungsmaßnahmen notwendig sind. Hat der Erbe das Aufgebotsverfahren innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft beantragt, kann er bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens die Befriedigung der Nachlassgläubiger und seine Eigenhaftung durch Einrede verweigern (§ 2015 Abs. 1 BGB).
Rz. 21
Um eine endgültige Haftungsbeschränkung zugunsten des Erben herbeizuführen, sieht das Haftungssystem des BGB neben der Nachlassinsolvenz weitere Instrumente vor. Während die Nachlasspflegschaft gemäß §§ 1960 ff. BGB nicht auf eine Beschränkung der Erbenhaftung zielt, kann eine Haftungsbeschränkung auch im Wege der Nachlassverwaltung, welche eine Spezialform der Nachlasspflegschaft zum Zweck der Befriedigung der Nachlassgläubiger ist (§ 1975 BGB), erreicht werden. Die Nachlassverwaltung ist angezeigt, wenn der Nachlass undurchsichtig oder komplex strukturiert ist, aber noch alle Nachlassverbindlichkeiten zu decken vermag. Anderenfalls ist die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (§ 1980 BGB).
Rz. 22
Das BGB folgt der Konzeption, dass der Erbe endgültige Haftungsbeschränkungen grundsätzlich nur durch die amtlichen Verfahren der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz erreichen kann, da diese regelmäßig gewähren, dass die Nachlassgläubiger ihre Forderungen aus dem ungeschmälerten Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls befriedigen können (Rückwirkung). Neben den amtlichen Verfahren sehen die §§ 1990 ff. BGB hierfür in Form der Dürftigkeits- und Überschwerungseinrede weitere Instrumente vor.
Rz. 23
Entgegen landläufiger Meinung bewirkt die Errichtung eines Inventars noch keine Haftungsbeschränkung für den Erben, sondern begründet lediglich eine Vollständigkeitsvermutung zugunsten des Erben. Die Vollständigkeitsvermutung des Inventars kann im Verhältnis zu Nachlassgläubigern das Vorbringen des Erben stützen, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls keine weiteren Gläubiger und Nachlassaktiva als die im Verzeichnis aufgeführten vorhanden waren (§ 2009 BGB). Auf diese Weise kann er die folgenden Erleichterungen belegen:
Rz. 24
1. Reicht die Nachlassmasse nicht aus, um die Kosten eines Nachlassinsolvenzverfahrens oder einer Nachlassverwaltung zu decken, kann der Erbe seine Haftung dauerhaft auf den Nachlass beschränken (§ 1990 Abs. 1 S. 1 BGB), der herauszugeben ist. Hinter § 1990 BGB steht die Überlegung, dass der dürftige Nachlass nicht den Aufwand eines förmlichen Haftungsbeschränkungsverfahrens lohnt. Statt eines externen Verwalters, der nicht aus dem Nachlass bezahlt werden kann, wickelt der Erbe selbst als Quasi-Verwalter den unergiebigen Nachlass ab. Das Stellen eines (vergeblichen) kostenpflichtigen Antrags auf Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit dem Ziel, dass dieser abgewiesen wird, um sich auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen zu können, ist dem Erben nicht zuzumuten; die Einrede greift bereits Platz bei materieller Dürftigkeit des Nachlasses. Ein abgewiesener Antrag bietet gleichwohl beweistechnische Vorteile, da er die Nachlassdürftigkeit feststellt.
Rz. 25
2. Weiterhin kann der Erbe, wenn der Nachlass überschuldet ist und diese Überschuldung allein auf erblasserisch angeordn...