Rz. 47

Auf den ersten Blick vermittelte die Lektüre des § 1 i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 11 u. 13 WEG a.F. den Eindruck eines dualistisch geprägten Bruchteilseigentums besonderen Rechts. Das war aus heutiger Sicht rechtsdogmatisch falsch und verkürzt. Nach der schon früh vertretenen – eher scherzhaft – so genannten Trinitätstheorie sollte als dritte Komponente die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft hinzutreten.[81] Daraus ergaben sich – entgegen der lange Zeit h.M. – erhebliche Unterschiede z.B. in der Behandlung des Verwaltungsvermögens einschließlich des Schicksals der Instandhaltungsrücklage bei Veräußerung des Wohnungseigentums. In – wenig überzeugender[82] – Fortführung dieses Gedankens gelangte eine Habilitationsschrift aus dem Jahr 1993 sogar zu dem Ergebnis, das Wohnungseigentumsgesetz habe eine neue Gesellschaftsform geschaffen, und zwar eine dingliche Gesellschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz (GWEG).[83] Der als "Jahrtausendentscheidung" gefeierte Beschluss des BGH vom 2.6.2005[84] hatte in Fortführung der alten Diskussion um die verbandsrechtliche Dimension des WEG einen aus Sicht der Praxis zu respektierenden endgültigen Paradigmenwechsel herbeigeführt: Nach Auffassung des BGH handelte es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft um einen teilrechtsfähigen Verband sui generis. Die WEG-Novelle 2007 war dem weitgehend gefolgt. Nach § 10 Abs. 6 S. 1 WEG a.F. war von der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft auszugehen. Sie selbst war Inhaberin der als Gemeinschaft begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten und hat ein gemeinschaftliches Verbandsvermögen. Nach § 10 Abs. 7 WEG a.F. gehörte das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Abweichend von den Vorstellungen des BGH ordnete der Gesetzgeber allerdings nur teilschuldnerische Haftung im Außenverhältnis an (§ 10 Abs. 8 WEG a.F.).

 

Rz. 48

Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers aus dem Jahre 2007 hatte eine Vielzahl von alten Streitfragen erledigt. Bei der Lektüre von Rechtsprechung und Literatur aus der Zeit vor der entsprechenden BGH-Entscheidung bzw. Inkrafttreten der WEG-Novelle (bzw. nunmehr der WEG-Reform) sollte man sich daher stets vergewissern, ob diese nicht einen überholten Rechtszustand wiedergeben. Auch manche Formulierungen in älteren Teilungserklärungen (z.B. "im Falle der Veräußerung hat der Wohnungseigentümer sein anteiliges Guthaben an der Instandhaltungsrücklage an den Erwerber abzutreten") sind aus heutiger Sicht obsolet.

Der Meinungsstreit über die Reichweite der Rechtsfähigkeit war für die meisten praktischen Fragestellungen von geringer Relevanz. Vor allzu innovativen Gestaltungen unter Ausnutzung der Rechtsfähigkeit war eher abzuraten. Klar ist aber auch nach der jetzigen Reform, dass bei kleineren Einheiten die Beteiligten eher eine "Quasi-Alleineigentümerstellung" anstreben, während bei Großgemeinschaften vornehmlich verbandsrechtlich geprägte Interessenkonflikte präventiv zu regeln sind. Strittig war bisher, ob neben dem teilsrechtsfähigen Verband ("Trinität") von der Existenz einer weiteren selbstständigen Gemeinschaft auszugehen ist. Wenn man dem folgte,[85] hätte es zwei Gemeinschaften gegeben, und zwar hinsichtlich der Verwaltung den rechtsfähigen Verband, hinsichtlich des Bruchteilseigentums an dem Grundstück eine separate Gemeinschaft mit eigenen Regeln. Da der Bundesgerichtshof sachenrechtliche Veränderungen von Gemeinschafts- und Sondereigentum strikt nach allgemeinen sachenrechtlichen Regeln beurteilte und insbesondere ein diesbezügliche Beschlusskompetenz der Gemeinschaft verneinte,[86] sprach vieles für eine sachen- und verbandsrechtliche Quaternität.

 

Rz. 49

 

WEG-Reform:

Um den vielen offenen Fragen den Stachel zu ziehen und Rechtssicherheit zu schaffen, sieht die WEG-Reform einen eigenen Abschnitt 3 "Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" vor.

§ 9a WEG hält fest, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden kann. Sie ist uneingeschränkt rechtsfähig und entsteht bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher, und dies – nach der ausdrücklichen Klarstellung in § 9a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WEG– auch bei einer Aufteilung nach § 8 WEG ("Ein-Personen-Gemeinschaft").[87] § 9b WEG regelt die Vertretung.[88]

Als Bezeichnung ist "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" oder "Wohnungseigentümergemeinschaft", gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks aufzunehmen.

Die WEG-Reform sieht darüber hinaus auch eine Reihe von Regelungen vor, die ­darauf abzielen, die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsverkehr und in ihrer Handlungsfähigkeit zu stärken, ihre Rechtsbeziehungen zu ordnen und zu konkretisieren. Unter anderem wird der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausdrücklich die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zugewiesen (§ 18 Abs. 1 WEG) und soll der Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft auch durch eine Modernisierung des ...

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