Rz. 32
Als Akteure im Forderungsinkasso sind neben dem Schuldner vor allem der Gläubiger, der Rechtsanwalt und der Inkassodienstleister zu betrachten. Dem Gegenstand dieses Praxisleitfadens ist es geschuldet, dass sich die Ausführungen auf die Akteure konzentrieren, die eine Forderung beitreiben wollen. Dabei sind die jeweiligen Kernkompetenzen zu beschreiben, um hieraus Gemeinsamkeiten und Unterschiede abzuleiten.
Rz. 33
Aus der Betrachtung der Kernkompetenzen erhellt sich insbesondere, welche Gründe dafür sprechen können, dass ein Gläubiger das Forderungsinkasso mit einer eigenen Mahn- und Inkassoabteilung betreibt, sich eines Rechtsanwaltes bedient oder einen Inkassodienstleister als Rechtsdienstleister beauftragt.
Rz. 34
Die Darstellung soll dabei zugleich zeigen, wo Rechtsanwälte und Inkassodienstleister in ihrem Leistungsspektrum vergleichbar sind und damit als unmittelbare Konkurrenten im Markt des Forderungsinkassos auftreten und wo Unterschiede vorherrschen, so dass sich Rechtsanwalt und Inkassodienstleister durchaus ergänzen können und Formen der beruflichen Zusammenarbeit nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll sind.
Rz. 35
Die Unterschiede sind einerseits für die wirtschaftliche Entscheidung des Gläubigers wichtig, wo er seinen zuvor zu definierenden Zielen eines effektiven Forderungsinkassos am nächsten kommt, zum anderen aber auch für die rechtliche Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten, einem Hauptthema dieses Praxisleitfadens. Eine Begrenzung von Inkassokosten unter dem Blickwinkel der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB als Aspekt zur Begrenzung des Verzugsschadens kommt nach den allgemein anerkannten Regeln nur dort in Betracht, wo der Gläubiger das gleiche – berechtigte – Ziel mit einem geringeren Aufwand, der sich als erstattungsfähiger Schaden darstellt, erreichen kann.
Rz. 36
Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich vor dem skizzierten Hintergrund in besonderer Weise auf die Inkassodienstleister, deren Arbeitsweisen und Angebotsspektrum als Grundlage für die spätere Untersuchung, inwieweit die hier entstandenen Kosten vom Schuldner als Inkassokosten erstattet werden müssen und inwieweit diese Kosten zum eigenen Pflichtenkreis des Gläubigers gehören und deshalb von diesem selbst zu tragen sind.
Rz. 37
Dabei geht der Verfasser von den seriösen Inkassodienstleistern aus, die im Rahmen der geltenden Rechtsordnung eine Rechtsdienstleistung anbieten. Spätestens mit der Anerkennung der Inkassodienstleister als einem nicht mehr wegzudenkenden Teil des modernen Wirtschaftslebens durch den Gesetzgeber und dem folgerichtig erweiterten Tätigkeitsfeld im gerichtlichen Mahnverfahren und der gesamten Mobiliarzwangsvollstreckung sowie Teilen des Insolvenzrechtes gilt es, den früheren "Hauch von Unseriösität" beiseite zu lassen und unvoreingenommen die Berechtigung der Erstattungsfähigkeit einer Vergütung unter Vertrags- oder Schadensersatzgesichtspunkten zu prüfen. Es ist nicht erkennbar, dass es bezogen auf die bisher zugelassenen Inkassodienstleister – soweit diese im BDIU e.V. zusammengeschlossen sind – wegen eines Verstoßes gegen die maßgeblichen Rechtsvorschriften zu berufsrechtlichen Verfahren gekommen ist, die die Seriosität der Branche als solches in Frage stellen. Es gibt auch nach den Erkenntnissen der Aufsichtsbehörden keine Hinweise auf eine zunehmend unseriöse Inkassotätigkeit.
Auch wenn Verbraucherzentralen – freilich zumeist ohne nähere Angaben zu nachprüfbaren Einzelheiten – immer wieder von Tausenden Schuldner-Beschwerden berichten, die bei ihnen eingegangen seien, fehlt es an einer korrespondierenden Darstellung, wie viele dieser Beschwerden denn tatsächlich auch begründet waren und in welcher Relation diese zu den insgesamt bearbeiteten Fällen stehen. So ergibt sich aus dem im Auftrag des BMJV durch das mit den Verbraucherzentralen eng verbundene Institut für Finanzdienstleistungen e.V./Hamburg ("IFF") erstatteten Bericht zur Evaluierung der inkassorechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 5.1.2018, dass die Schuldner-Beschwerden im Zeitraum 2013 bis 2016 bei den für die Aufsicht über Inkassodienstleister zuständigen Gerichten keineswegs zu beobachten war. Verschiedene Aufsichtsbehörden haben entweder gar nicht oder nur durch Mitteilung von sehr viel geringeren Fallzahlen über Beschwerden berichtet. Im Übrigen stellte das IFF in seinem Bericht ausdrücklich fest, dass der gesetzlich vorgegebene Vergütungsrahmen im Berichtszeitraum von den Inkassodienstleistern grundsätzlich eingehalten worden sei. Es ist den Inkassodienstleistern aber nicht vorzuwerfen, wenn Sie sich an Recht und Gesetz halten, auch wenn die Verbraucherzentralen die Vergütung für zu hoch erachtet haben. Auch die von den BDIU-Mitgliedern im Jahre 2019 zur Ombudsfrau des BDIU e.V. neu gewählte ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zog im Frühjahr 2020 die folgende Bilanz: "In diesem knappen Jahr haben sich 1.071 ...