Sammelinkasso für Schweizer Diesel-Käufer

Der BGH hat die massenweise Abtretung von Forderungen durch Käufer von abgasmanipulierten Dieselfahrzeugen in der Schweiz an ein deutsches Inkassounternehmen und deren Geltendmachung in einem einheitlichen Klageverfahren in Deutschland für grundsätzlich zulässig erklärt.

Der beim BGH vorübergehend als Hilfsspruchkörper für Dieselklagen eingerichtete Zivilsenat VIa hat mit einer Grundsatzentscheidung zum sogenannten „Sammelklageninkasso“ die Tätigkeit der Inkassodienstleister in Deutschland erheblich gestärkt.

Klage auf Schadenersatz gegen VW in über 2.000 Fällen

Die Klägerin des Verfahrens, ein deutsches, in der Rechtsform einer GmbH organisiertes Unternehmen für Inkassodienstleistungen, hatte sich in über 2.000 Fällen Forderungen von in der Schweiz ansässigen Erwerbern von VW-Dieselfahrzeugen treuhänderisch zur Einziehung abtreten lassen. Grundlage der Forderungsabtretungen war der Kauf von VW-Dieselfahrzeugen, in denen die bekannte Software zur Manipulation der Abgaswerte eingebaut war. Diese erkannte die Situation auf dem Rollenprüfstand und schaltete dort auf einen stickoxidoptimierten Abgasrückführungsmodus mit einer gegenüber dem normalen Fahrbetrieb deutlich reduzierten Produktion von Stickoxid-Emissionen. 

Abtrennung eines einzelnen Schadensersatzanspruchs

Die aus diesen Vorgängen resultierenden möglichen Schadensersatzansprüche der Käufer hatte das deutsche Inkassounternehmen bei dem für den Firmensitz von VW zuständigen LG Braunschweig in einer einheitlichen Klage im eigenen Namen geltend gemacht. Das LG hat das Verfahren betreffend die abgetretenen Ansprüche eines einzelnen Erwerbers abgetrennt und dieses abgetrennte Verfahren zunächst durchentschieden.

LG verneinte Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters 

Das LG hat die Klage auf Schadenersatz abgewiesen. Begründung: Der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schadensersatzforderung die Aktivlegitimation. Die Beurteilung der möglichen Schadensersatzforderung richte sich nach Schweizer Recht. Für die Geltendmachung einer nach Schweizer Recht zu beurteilenden Forderung haben die Klägerin keine rechtswirksame Inkassolizenz

LG vermisst Sondererlaubnis für Rechtsdienstleistungen nach ausländischem Recht

Die vorhandene Inkassoerlaubnis der Klägerin gemäß §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG zur Einziehung von Forderungen nach deutschem Recht war nach der Beurteilung des LG zwar vorhanden, zur Einziehung einer nach ausländischem Recht zu beurteilenden Forderung sei aber eine spezielle zusätzliche Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach ausländischem Recht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG erforderlich. 

LG erklärte Dienstleistungsvertrag und Abtretung für nichtig

Da die Klägerin eine solche Erlaubnis nicht besitze, verstoße ihre Tätigkeit gegen das RDG. Dies führe zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Dienstleistungsvertrages sowie in der Folge zur Nichtigkeit der darauf basierenden Forderungsabtretung. Damit sei die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation als unbegründet abzuweisen.

BGH: Inkassodienstleister benötigt für Inkasso nach ausländischem Recht keine Sondererlaubnis

Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung der Klägerin war erfolglos, nicht aber die beim BGH eingelegte Revision. Der BGH stellte klar, dass nach dem Wortlaut und der Systematik des RDG ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG ordnungsgemäß registrierter Inkassodienstleister keiner zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene Forderung nach ausländischem Recht außergerichtlich geltend macht. Das Erfordernis einer separaten Erlaubnis für diese Tätigkeit lasse sich weder dem Wortlaut des § 10 RDG noch der Systematik und dem Sinn des RDG entnehmen. Zur Erreichung des Schutzzweckes des RDG, nämlich u.a. die Bürger vor nicht sachgerechten und unseriösen Rechtsdienstleistungen zu schützen, sei eine solche zusätzliche Erlaubnis nicht erforderlich.

Vorinstanz muss erneut entscheiden

Nach dieser Rechtsauslegung des BGH war die Auffassung der Vorinstanzen, infolge eines Verstoßes gegen das RDG seien sowohl der zugrundeliegende Dienstleistungsvertrag als auch die Forderungsabtretung nichtig, rechtsfehlerhaft. Der BGH hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung über die inhaltliche Berechtigung der Forderung des Zedenten unter Zugrundelegung der einschlägigen Schweizer Rechtsvorschriften zurückverwiesen. Damit hat nun das Berufungsgericht im Ergebnis über rund 2.000 Abtretungen und über die Berechtigung der diesen Abtretungen jeweils zugrundeliegenden Schadensersatzforderungen gegen VW zu entscheiden.

(BGH, Urteil v. 13.6.2022, VIa ZR 418/21)


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