Rz. 6
Für die Beratungspraxis stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit schon zu Lebzeiten eines Erblassers die späteren (Erb-)Rechte potenzieller Erben gesichert werden können.
Ob schon zu Lebzeiten des Erblassers erbrechtliche Fragen durch Feststellungsklage geklärt werden können, ist nach § 256 ZPO zu beurteilen. Die Klage muss auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet sein, das nicht unbedingt ein (behauptetes) subjektives Recht einer Partei zu sein braucht. Künftige Rechtsbeziehungen oder rechtserhebliche Vorfragen für die Entstehung von Rechten werden jedoch nicht als Rechtsverhältnis anerkannt. Es liegt – im Grundsatz mit von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen – im berechtigten Interesse des Erblassers, nicht schon zu Lebzeiten in Rechtsstreitigkeiten über das Schicksal seines Vermögens nach seinem Tode verwickelt zu werden. Da der künftige Erbe zu Lebzeiten des Erblassers nur eine tatsächliche Aussicht auf den Erwerb der Erbschaft besitzt, ist ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Erblasser nur ausnahmsweise zu bejahen. Daher sind Klagen auf Feststellung des künftigen Eintritts oder Nichteintritts eines gesetzlichen oder gewillkürten Erbrechts oder auf Feststellung des Entstehens bzw. Nichtentstehens eines Vermächtnisses im Grundsatz (mit Ausnahmen) unzulässig.
Rz. 7
Dasselbe gilt für Klagen, durch die einzelne Voraussetzungen des künftigen erbrechtlichen Erwerbs festgestellt werden sollen, z.B. Klagen auf Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Testaments, der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Widerrufs oder auf Feststellung einer bestimmten Auslegung.
Rz. 8
Der zukünftige Erbe kann auch keine zulässigen Klagen über den Bestand des Erblasservermögens erheben, da es sich hierbei nicht um eigene Rechtsverhältnisse des künftigen Erben handelt und – wegen seiner bloßen Erbaussicht – auch kein hinreichendes eigenes rechtliches Interesse an der Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses anzunehmen ist. Unzulässig sind daher Klagen auf Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Erblasservermögen oder auf Feststellung der Unwirksamkeit eines vom Erblasser abgeschlossenen Vertrags, ebenso auf Feststellung einer Ausgleichspflicht zwischen Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls. Dasselbe gilt für eine Klage des künftigen Erben gegen den Erwerber auf Feststellung der Unwirksamkeit einer vom noch lebenden Erblasser vorgenommenen Verfügung, weil dieser geschäftsunfähig sei.
Rz. 9
Als bereits bestehendes rechtliches Verhältnis ist jedoch die Bindung des Erblassers an einen Erbvertrag oder – nach dem Tod des ersten Ehegatten bzw. Lebenspartners – an wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments (§ 2271 Abs. 2 BGB) anzuerkennen. Eine Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines Erbvertrags oder einer nach § 2271 Abs. 2 BGB bindend gewordenen wechselbezüglichen Verfügung oder der Unwirksamkeit entgegenstehender letztwilliger Verfügungen ist, sofern ein rechtliches Feststellungsinteresse zu bejahen ist, ebenso zulässig wie die entsprechenden negativen Feststellungsklagen. Dagegen fehlt es vor dem Erbfall an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zwischen Erbvertragserben untereinander oder (auch nach dem ersten Erbfall) zwischen den mehreren Schlusserben beim bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament. Der in einem gemeinschaftlichen Testament mit einem Vermächtnis Bedachte kann, wenn das Vermächtnis vom überlebenden Ehegatten angefochten wurde, gegen diesen Klage auf Feststellung erheben, dass die Vermächtnisanordnung durch die Anfechtung nicht unwirksam geworden ist.
Näheres zu einzelnen Feststellungsklagen siehe § 8.
Rz. 10
Der Erbverzicht (§ 2346 Abs. 1 BGB) einschließlich der auf das Pflichtteilsrecht beschränkte Verzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) entfaltet schon zu Lebzeiten des Erblassers bindende Wirkung, so dass seine Wirksamkeit oder Unwirksamkeit Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. Der BGH nimmt in Bezug auf das Pflichtteilsrecht ein schon vor dem Erbfall bestehendes und daher feststellungsfähiges Rechtsverhältnis an; vgl. hierzu § 8.
Eine Klage auf Feststellung der Notarhaftung, weil ein Erbverzichtsvertrag, durch den der Kläger begünstigt werden sollte (höheres Erb- und Pflichtteilsrecht), aufgrund eines Notarfehlers unwirksam sei, ist schon zu Lebzeiten des Erblassers zulässig.